Mascarpone im Glas mit Minzblättern
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JUR-2021-TdS-20
Basler Kirschen serviert auf Solothurner Tafeljura mit verlorenem Ende in Südbaden

Resümee meiner großen Schweizrundfahrt

Die Ursprungsfrage hatte ich ja schon in der Einführung beantwortet: Die Schweiz ist weit mehr als eine Sackgasse. Einmal mehr haben sich die orografischen Sackgassen als krönende Talschlüsse erwiesen und damit den vermeintlichen Enden inspirierenden Sinn für Neues, für einen Anfang gegeben. Es gibt hier auch keine Schlussbilanz mit Best-of-Wertungen. Jedes Kapitel war für sich ein Höhepunkt auf seine eigene Weise, trotz der manchmal arg herben Witterung. Rau-wilde Gotthardtäler wecken andere Stimmungen als Gletscherkulissen im Wallis, pittoreske Tessindörfer mit ihren rustici haben eine andere Art von Charme als Hochalmen im Berner Oberland, Zuckerhutberge im Seengebiet der Luganer Alpen beschleichen andere Träume als die geschwungenen Hügellandschaften des Tafeljuras, Greyerzkäse schmeckt edelherb würzig ebenso köstlich wie süßer Pistazienkuchen im Campo dei Fiore mundet. Jeder Wasserfall hat seine eigene Aura, seinen eigenen Klangrausch, jedes Kurveneldorado euphorisiert erneut und wiederum mit anderen Gefühlen.

Die Regenfälle und Gewitter ließen mich manchmal ratlos, ohnmächtig oder auch zornig werden, doch glättete sich das Gemüt schon nur wenig später, wenn einschmeichelnde Licht- und Wolkenstimmungen unschuldig die durchlebten Härten quasi verdampfen ließen. Es wäre jedoch übertrieben romantisiert, wenn mir jedes Erlebnis Freude bereitet hätte, ich musste auch mal traurig sein. Man weiß es schon allein von der sommerlichen Körperlichkeit: Die heißen Tagen lassen unbarmherzig Schweiß fließen und die Kräfte ermatten, und zugleich steigert die Sonne die Endorphine des Körpers – das sensorische und mentale Hochgefühl auf Leben. Es gibt kein wahrhaftiges Erleben ohne zwei Seiten.

„Der Weg ist das Ziel“ war mir wohl selten so sehr real wie auf dieser Tour, so wie auch jede Sackgasse, jede Bergüberfahrt ein Erlebnis für sich zeichnete. Auf jede Gemütsdelle folgt wieder ein erhabener Scheitelpunkt eines freudigen Jauchzens. Die Erinnerung indes trägt alle Leiden und Freuden weiter, bis alles zu einst erlebter Schönheit im Laufe der Zeit verklärt. Die menschlichen Begegnungen waren vielleicht etwas rar, aber immer erfreulich, auch manchmal helfend in schwierigen Situationen. Die Kultur musste wie so häufig ein Randdasein frissten, das Fahrradmuseum in Chippis verfehlte ich ziemlich unglücklich, mehrere Musikfestivals schafften nur einen Vermerk in die Reisenotizen, ohne an ihnen teilzunehmen. Die ganz verschiedenen Museen über Herman Hesse in Montagnola und über den Radrennsport in Magrelio hatten es umso leichter, einen tiefen Eindruck von gelebter Leidenschaft zu hinterlassen. Der eine oder andere Franken mehr im Budget hätte sicherlich die Reise noch gerne versüßen können, andererseits stählen gerade die Härten den Sinn für den Überlebenstrieb. Ich stellte mich unorthodox der Improvisation in materieller Bescheidenheit, ohne dabei auf den einen oder anderen kleinen lukullischen Genuss ganz zu verzichten. In Summe war ich doch häufiger in der Gastronomie gestrandet als geplant.

Die Schweiz erwies sich mal wieder als herzerfrischend radreisetauglich – selbst in den von Tourenradlern zu oft verschmähten Sackgassen. Das ist mir zweifellos nicht neu, sei aber jedem Weltnomaden nahe gelegt. Die wahre Freude und Schönheit liegt meist näher als ein Jetlag entfernt. Selbst den Fränklitsunami auf den Geldbeutel konnte ich dank der meist freien Übernachtungsplätze in sanften Wogen abmildern. Auch diesbezüglich war die Schweiz einmal mehr unkompliziert, manchen Unkenrufen von harten Regulierungen zum Trotz. Nicht zuletzt ist das Freisinnige ein Urgedanke des eidgenössischen Bundes. Ich verweise gerne auf den Sinnspruch am Museum des Sigriswiler Freiheitsbriefs: „… die Freiheit selber zu erhalten, das ist eure Sach'“ – also unser aller Pflicht im wohlwollenden Miteinander die Freiheit zu leben. Das wird im Kleinklein von Nichtigkeiten, Eitelkeiten, Moden und Etiketten immer wieder leicht vergessen.

Natürlich blieben auch diesmal manche Seitenwege noch unentdeckt, musste ich Pläne kürzen und dem Ruf nach noch mehr und längerer Verweilzeit unbequeme Schranken auferlegen. Das waren nicht nur die anfangs geplanten Rheinquelltäler, sondern auch nicht erwartete weitere Seitentäler im Val di Blenio, einige Bergfahrten in den Luganer Voralpen wie etwa der Monte Brè, aber auch weitere auf der italienischen Seite. Ganz besonders summierten sich die Ausfälle etlicher Walliser Rhonetäler – vor allem die nördlichen in die Berner Alpen. Einige Rampen im Berner Oberland bei Interlaken hatte ich gänzlich schon bei der Planung ausgeblendet und wären auch bei der Wetterentwicklung quasi in einer doppelten Sackgasse geendet. Und selbst die Wege im schweizerischen Tafeljura habe ich noch nicht ganz ausgereizt, wie ich zunächst annahm. Das ruft alles nach Wiederkehr – die bange Frage dazu immer nur: Wann?

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