Pic de Canigou, Distelblüte im Vordergrund weichgezeichnet
Pyrenäen,  Regionen

Kleine Pyrenäenkunde – Eine Einführung

Die Pyrenäen stellen ähnlich wie die Alpen ein Hochgebirge entlang eines west-östlichen Grenzkamms dar, das zwei Meere miteinander verbindet. Sind es bei den Alpen nur unterschiedliche Teile des Mittelmeers, dazu noch im Osten nicht ganz das Meer erreichend, bilden die Pyrenäen die Brücke zwischen Mittelmeer und Atlantik. Damit ist ein größerer klimatischer Unterschied verbunden als zwischen der Côte d’Azur und der Triester Bucht, obwohl die Pyrenäen weit kleiner als die Alpen sind.

Nicht nur für den Radler finden sich einige weitere Parallelen, aber auch Unterschiede. Wie in den Alpen gibt es Pässebäuche, wo sich neben dem Hauptkamm noch zahlreiche parallele Talübergänge fahren lassen. Die Transitaxen der Pyrenäen sind weit weniger bedeutend als die der Alpen. Dennoch gibt es auch Untertunnelungen für den Autoverkehr. Im Vergleich bleibt das Verkehrsaufkommen trotzdem niedriger. Der Bahnverkehr hat einen schweren Stand, nur am Col de Perthus gibt es eine veritable Transitverbindung im Fernverkehr zwischen Frankreich und Spanien. Ähnlich mager sind die Täler zu beiden Seiten erschlossen.

Auf der Nord-Süd-Transitachse stehen viele Pässe zur Verfügung, jedoch verkleinert sich durch Topografie, Nationalparks und einen für Velo gesperrten Tunnel in der Mitte des Kamms die Auswahl deutlich. Die meisten Varianten oft kaum bekannter Übergänge finden sich im Westen, wo die Passhöhen auch unter 1000 m sinken und grünes Hügelland vorherrscht. Im Osten mit den schrofferen Bergen können einige Übergänge nur quer mit Umweg Nord/Süd gefahren werden. Andere Pässe sind schwierige Schotterpisten, insbesondere nahe am Canigou, dem Symbolberg der Ostpyrenäen (siehe Eingangsbild).

Steigungsprofil auf Tafel Coll de Pradell
Die Pyrenäen werden gerne unterschätzt: Eine steilsten Rampen ist der Coll de Pradell in der Sierra del Cadi

Beobachtet man die verfügbare Beschilderung von Steigungen, scheinen die Pyrenäenstraßen weniger steil als Alpenstraßen. In der Gesamtheit der Durchschnitte ist das zwar richtig, aber Pyrenäenstraßen werden doch häufig unterschätzt. Ursache dafür sind einerseits unterschiedliche Kriterien von Steigungsmessungen, schlechtere, oft nicht erwartete schlechte Straßenbeläge, klimatisch anspruchvollere Witterungsbedingungen besonders im Westen mit sehr hoher Luftfeuchte sowie noch vielfach unbekannte Flecken und fehlende Infos über die Straßen. Sind in den Alpen die Rampenpässe oft gut bekannt, haben sich die Wadenbeißer der Pyrenäen weit weniger herumgesprochen.

Nebelstraße mit Aufschriften von Radhelden
Zusätzliche Herausforderung für Radsportler: Der atlantischer Tröpfchennebel ist typisch für die westlichen Pyrenäen und sorgt für schwierige Atembedingungen bei Anstiegen
Kathererburg Peyrepertuse, Froschperspektive
Alte Trutzburgen im Glaubensstreit: Die der katholischen Lehre abtrünnigen Katharer suchten Zuflucht auf kaum zugänglichen Burgen, doch wurden sie verfolgt und ausgerottet (hier: Chateau Peyrepertuse)

Große Teile der spanischen Vorpyrenäen können nur an wenigen Stellen in West-Ost-Richtung gequert werden, weil tiefe Schluchten in Nord-Süd-Richtung weit nach Süden auslaufen. Im Westen trifft man gar auf die Wüstenregion Bardenas Reales, die man aber durchaus begrenzt beradeln kann. Die französischen Vorpyrenäen sind hingegen weit weniger eingraviert und weisen mehr Hügelland auf, im Osten auch mal schluchtiger und schroffer als Burgenland der ehemaligen Katharer, bald aber auch wieder abgefedert von Weinhängen.

Gemeinhin ist bekannt, dass die Pyrenäensüdseite trockener ist als die Nordseite. Das sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch dichte Wälder im Süden gibt, so wie der grenzkammüberschreitende Buchenwald Iraty/Irati im Westen oder die wassereichen Wälder im Vall de Sau/Collsacabra im Osten der Vorpyrenäen als Hinterland der Costa Brava. Nicht immer ist daher auch der Pyrenäenkamm eine Wetterscheide. Manche tiefen Atlantikwolken schaffen es weit hinüber auf die spanische Seite und können änliche Nebeltropfenklimate zu beiden Seiten des Kamms erzeugen. So ganz unbekannt ist das von den Alpen auch nicht.

Pottok-Paar, Iraty
Pottoks sind die typische Weidetiere der westlichen Pyrenäen

Weniger Verkehr heißt, die Pyrenäen wirken naturnäher und ursprünglicher als die Alpen. So recht wahr ist das nicht, denn die Pyrenäen sind auch zu einem guten Teil Kulturlandschaft, die aber ruhiger und extensiver genutzt wird als die der Alpen, was sich besonders in der Beweidung mit Schafen und Pottoks wiederspiegelt. Unterschiede gibt es aber deutlicher in der historischen Besiedlung, die in den Alpen weit tiefer in Täler und Berge vorgedrungen ist und weit mehr Kulturen etablierte. Die Wirtschaftswege waren schon seit Jahrunderten intensiver. Das verhindert nicht, dass heute auch in den Pyrenäen weiter Dörfer sterben und Landflucht besteht. Versorgungslücken können in den spanischen Pyrenäen entsprechend weiträumig ausgreifen, was nicht ablenken soll, dass ich auch im Corbières zur französischen Seite schon mal am Hungertuch nagen musste.

Schafherde, Ostpyrenäen
Auch die Pyrenäen sind nicht reine Natur, sondern gewachsene Kulturlandschaft: Ohne Schafe wären die „charakteristischen“Pyrenäen nicht denkbar

Gegenentwicklungen wie Skitourismus bringen wie in den Alpen zuweilen ähnlich unansehliche Verbauungen in den Bergen, so etwa in La Mongie am Tourmalet oder in Font-Romeu auf der Cerdagne-Hochebene. In der Sommersaison wird man auch auf Rummelplätze stoßen, mit Lourdes und St-Jean-Pied-de-Port sorgen dafür schon zwei Pilgerorte, aber auch die Tour de France lockt stets viele Menschen an. Oft ist es wenige Tage davor oder danach schon wieder ruhig. Veränderungen des Geschäfts kann man aber auch dort erkennen: Luz-St-Saveur, Basisort für den Tourmalet, in die Jahre gekommener Kurort und Skiortbasis bietet heute auch im Sommer Outlet für Wanderer und Radler, wo früher nur Skisortimente die Läden füllte. Der Druck zum Ganzjahresgeschäft ist gewachsen.

Beachtet man die Besonderheiten, stehen faszinierende Radreisen in den Pyrenäen aber nichts im Wege. Einen Favoriten zu einer Seite kann ich nicht benennen – weder Ost noch West, weder Spanien noch Frankreich. Es lohnt aber Regionen genauer einzukreisen, Informatioen zu sammeln und nicht nur die schnelle Schnur über die Grands Cols de Pyrenées bzw. die Cols de Légende zu erwägen. Denn das bringt die geringste landschaftliche Abwechslung der denkbaren Routen. Nicht verachten sollte man den Griff zum Wanderschuh, nicht nur in den Nationalparks Pyrénées, Aigües Tortes und Ordesa wird man ganz neue Sichten erhalten, auch eine Schatzkammer wie der Naturpark Sierra y Cañones de Guara kann wahrhaftig nur zu Fuß genossen werden.

Logo Schreibfeder, Pedal mitAugen, Rad, weißer Hintergrund

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