Murmeltier-Parr nebeneinander vor Steinhöhle
Alpen,  Kärnten,  Osttirol,  Touren

ALP-2024-TiSA-09
Intermezzo in Osttirol und Kärnten – Wasserphilosophie mit Waffelschokolade und Teepause

Kurz vor mir liegt nun eine Runde Osttirol mit einem kurzen Abstecher nach Kärnten. Zunächst steht mit der Venedigergruppe eine Alpengruppe im Fokus, die vollständig den Nordalpen zuzurechnen ist, weil es keinen unmittelbaren Talanschluss gibt, der die Südalpen von den Nordalpen abgrenzt. Insofern fällt diese Ecke aus dem Rahmen der Tour. Andererseits bleiben Siedler und Kultur an das Drautal gebunden und damit an die Südalpen. Anschließend umrunde ich die Gailtaler Alpen, wobei die Südachse mehr unter dem Eindruck des Karnischen Hauptkamms steht, also schon ein kleiner Vorgriff auf die Karnischen Alpen. Die Rückkehr nach Osttirol rückt eine weitere Nordalpengruppe ins Bild, die sich von der Südalpengrenze des Pustertals über einige Sackgassen oder Höhenstraßen am Rande erkunden lassen – die Villgratner Berge.

[Fr 28.6.] Knuttenalm – via Piste – Klammljoch (2295 m) – via Piste – Oberhaus – Patsch – Erlsbach – Maria Hilf – St. Jakob – St. Veit in Defereggen – Hopfgarten im Defereggen – Huben – Matrei – Mitteldorf – Virgen

63 km | 890 Hm

Ich bin nicht sicher, ob die Strecke zum Klammljoch so schwer ist, wie ich sie empfunden hatte. Ich verspürte morgens nach wenigen Metern eine extreme Kurzatmigkeit. Das blieb den Tag über, auch später bei einem Asphaltanstieg, verschwand aber wieder am nächsten Tag. So kamen wohl zwei Dinge zusammen, eine anspruchsvolle Pistenstrecke und einen Maschinenfehler im Atemapparat. Nun ist geschafft geschafft, auch wenn eine Tortur. Das Klammljoch ist ein bezauberndes Alpenrosengedeck, schon zur Südtiroler Seite, noch mehr zur Osttiroler. Zahlreiche Murmeltiere feierten die Sonnenfenster, die sich nach dem trüben und kalten Morgen zaghaft, aber immer mehr öffneten.

Die Strecke ist sowohl bei Wanderern als auch MTBern beliebt, sodass es zu Stoßzeiten schon mal voll werden kann. Umso erstaunlicher wirkte das Defereggental weniger besucht als ich es in meiner Erinnerung trug. Der Lawinenschutz wurde an der Strecke nochmal deutlich ausgebaut, sodass man von Osten kommend mittlerweile erheblich viel Zeit in Tunneln radeln würde.

Noch ein Highlight hatte ich vorgesehen, sodass ich zunächst die Felbertauernstrecke bis Matrei fahren musste. Erst in der Ebene bei Matrei bildet sich eine ausgiebige Bergarena ab. Das Virgen-Tal beginnt dann recht schnell mit einem ersten steilen Anstieg, bevor man das offensichtlich beliebte Virgen mit guten Einkehrmöglichkeiten findet.

[Sa 29.6.] Virgen – Prägraten – Hinterbichl – Ströden – via Piste – Islitzer Alm (1560 m) – Wanderung Umbalfälle, ca. 45 Min. – Matrei – Huben – St. Johann im Walde – via Radweg – Ainet – Lienz – via Drau-Radweg – Unterpirkach

86 km | 570 Hm

Das Virgen-Tal verzaubert mit viel Charme, bis Asphaltende in Ströden fährt auch ein Bus, dort schwärmten viele Wanderer aus. Die entsprechend belebte Piste zur Islitzer Alm ist gut fahrbar. Ziel ist hier ein Wasserfallfestival mit einem Ensemble von mehreren gewaltigen Fallstufen – ein bisschen vergleichbar mit den Giessbachfällen am Brienzer See in der Schweiz, wenn auch ganz anders. Für eine Besichtigung muss man absatteln und einen Treppensteig bewandern, wobei ich den Weg nicht ganz ausgelaufen bin. Viele wandern weiter zu höheren Almen.

Das Iseltal zwischen Matrei und Lienz hat eher wenige Höhepunkte, im südlichen Teil finden sich viele Rastmöglichkeiten am Radweg. In Lienz wurde ich an der Eisdiele in ein etwas komisches Gespräch mit einer Einheimischen verwickelt.

Das düstere Licht macht nicht recht Laune auf die langweilige gerade Schnur des Drau-Radwegs, oft neben der Bahnlinie. An der Drau empfiehlt sich ohnehin schneller zu fahren, einige Mücken suchen bei Wolken und in der Dämmerung noch Dracula-Abendbrot. Irgendwie etwas symbolisch, endet mit Osttirol der Asphalt auf dem Radweg, Kärnten begrüßt freundlich, aber mit Schotter zunächst. Ein großzügiger Radlerrastplatz lockt mit reichbestücktem SB-Automaten, wo es sogar Kaffee mit Orangengeschmack gibt. Also ist Kärnten doch radfahrerfreundlich?

[So 30.6.] Unterpirkach – Oberdrauburg – Gailbergsattel (982 m) – Laas – Körtschach – St. Jakob im Lesachtal – Birnbaum – Liesing – St. Lorenzen im Lesachtal – Marai Luggau – Untertilliach – Obertilliach – Kartitscher Sattel/Tannwiese (1530 m) – Kartitsch – Tassenbach – via Drau-Radweg – Panzendorf

75 km | 1620 Hm

Offenbar sind hier nicht alle Einwohner glücklich über die Radinfrastruktur. Erwache ich kaum am Morgen, fährt ein Auto gegen 5:50 h an mein Zelt von der offenen Seite des Rastplatzes ran, steigt ein Mann aus, hebt das Zelt mehrfach an und mault: „Hier ist das Campen nicht erlaubt“. Noch hatte ich mit der abfallenden Müdigkeit zu kämpfen, um überhaupt reagieren zu können. So schnell wie gekommen, stieg er ins Auto und fuhr wieder fort. In Kärnten hatte ich ja schon mehrere seltsame Erlebnisse besonderer Unfreundlichkeit. Gewiss, es sind immer Einzelfiguren, die auffallen. Ansonsten grüßten mich andere Passanten des Ortes sehr freundlich. Ein Geschmäckle bleibt aber über das auch an anderen Orten nicht immer so ganz freundliche Bundesland.

Bis Oberdrauburg ist hier nicht mehr weit, damit auch der nächste Anstieg im Fokus. Der Gailbergsattel war schnell bewältigt, ein Pass ohne große Ausstrahlung. Bei der Passhöhe traf ich auf eine Familie aus dem Rhein-Sieg-Kreis, meiner alten Heimat. Sie konnten es kaum fassen, dass ich die gleichen Wurzeln habe und dass man solches Fahrgerät in den Bergen auf und ab bewegen kann. Offenbar trotz Autofahrer auch ein wenig Gleichgesinnte – seit 25 Jahren ist es ihre Urlaubsstammregion, also geerdete Verehrer der Alpenregion.

Der auch sonntäglich geöffnete Supermarkt in Körtschach rettete mich vor der bereits bedenklichen Proviantschmelze. Indes hatte sich die vage Heiterkeit des Morgens in tiefe, graue Wolken verwandelt. Auf der Karnischen Dolomitenstraße senken sich die Wolken noch mehr auf die Gipfelgrate, sodass die erwartete großartige Aussicht ausfiel. Man könnte auch sagen, die Straße wurde ihrem Namen an diesem Tage nicht gerecht, denn gerade im Süden liegt ja der namensgebende Karnische Hauptkamm.

Da es in die Seitentäler hinein bereits einregnete, ließ ich den Exkurs zum Wolayersee ausfallen. Die Straße indes ist ein Wunderwerk von wohl wenig begabten Straßeningenieuren – kaum eine solche Strecke kenne ich, die mit so vielen Auf-und-Abs zu zermürben weiß. Der Gail kommt man erst im oberen Bereich nahe, weil die Straße als Höhenstraße angelegt ist wie die Dörfer sich auch halbhoch im Hang platziert haben, weit oberhalb der wilden Gail, die für recht heftige Fluten bekannt ist. Die Passhöhe, bereits wieder in Osttirol, ist dann auch eine nur kurz empfundene Erlösung, da mich die Traufe über dem Pustertal nass erwischt. Es ist wieder an der Zeit, ein Dach zu finden.

[Mo 1.7.] Panzendorf – Außervillgraten – Innervillgraten – Eggeberg – Freilichtmuseum „Alpines Leben/Mühlen“ – Unterstaller Alm – Oberstaller Alm (1851 m) – Panzendorf

43 km | 820 Hm

Der erste Ausflug des Tages führte zu Südtirols Premium-Waffelhersteller Loaker, der auch im Osttiroler Panzendorf einen wichtigen Produktionsstandort unterhält. Loaker ist so etwas wie Rittersport für Deutschland – Markename, unverkennbare Produkte rund um die Kakaobohne und schlaues Marketing, um Geld aus der Tasche zu locken. Sparen kann man im Fabrikshop nicht unbedingt. Das anliegende Café macht entsprechend gutes Geschäft und bietet für solches Wetter doch ein Stück kleine Seelenmassage.

Was am Vortag angezettelt, ward nun weiter vertieft. Der Exkurs ins Villgratental (derer es mehrere Zweige gibt) endete zunächst erbärmlich unter einem Hausdach kauernd in Innervillgraten. So verschämt ich mich an die Hauswand drücken musste, lud mich bald das Bewohnerpaar zum Tee ein. Die Gespräche nahmen einen politischen Verlauf, die Lebensbedingungen, die Preise, das Klima. Er meinte, der kleine Mann habe die Probleme verstanden, die da oben nicht. Ich wollte da nicht tiefer einhaken, aber ich sehe es eher umgekehrt. Die Politiker sind opportun und tun nur das, was das Volk glaubt. Und das ist zu wenig für eine Zukunftswende. Es braucht immer Menschen und Gruppen, die vorangehen ungeachtet der Massenmeinung. Die Einsicht über die Ursachen und Folgen des Klimawandels und die Notwendigkeit das Handeln zu verändern sind beim kleinen Mann nicht weit gediehen, dass bestätigte diese meine Tour leider sehr eindrücklich und schon fast beängstigend.

Auf Regenende durfte ich nicht hoffen, zu sehr hatten sich die Wolken festgefressen, zumal in diesen engen Seitentälern. Bei leichtem Regen nehme ich die Auffahrt in Angriff, eine der schönsten Almrouten der Reise – so verwunschen, grün wie bunt und offenbar kaum entdeckt, außer dass an der Oberstaller Alm erstaunlich viele Ferienhäuser belegt waren. Das romantische Bergerlebnis in traditionellen Hütten ist eine gesuchte Ausflucht aus dem Takt des modernen Lebens – aber entflieht man so tatsächlich? – Der Blick auf die voll besetzten Parkplätze mit den allwo erreichenden Autos sagte mir eher nein. Der Kreis zum Teegespräch mit dem Osttiroler Rentner war schnell geschlossen.

Mit kompletter Regenausstattung erreichte ich als tropfender Alien Panzendorf wiederum – keinen Ort weiter als am Tag zuvor. Wo wäre ich mit sonnigen Stunden heute gelandet? – Solche Fragen sind in einem solchen Sommer obsolet. Es geht immer nur so weit, wie der Vorhang hält oder eben nicht. Bei einem Tag mit kaum über 10 °C siegte die Sehnsucht nach einem warmen Essen, Spaghetti al sugo mit Rotwein und Apfelstrudel versüßten mir den Tagesausklang, der wieder unter dem selben Dach des Vortags endete.

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