Kehrtunnels mit Licht am Passo San Boldo
Alpen,  Touren,  Venetien

ALP-2024-TiSA-12
Höhlen, Rebstöcke und Kehrtunnels – die Treviso-Voralpen mit den Colline del Prosecco di Conegliano e Valdobbiadene

Wo ich hier die Grenzen setze, ist ein wenig unbestimmt, verwehrt die Alpengruppenterminologie doch eine einzige schlüssige und überzeugende Zuordnung. Soweit ich im Westen bei Ponte nelle Alpi die Belluneser Dolomiten verlassen habe, verbleiben im Osten die Ausläufer der Karnischen Alpen und gleichzeitig als Teil der Treviso-Voralpen bis in die Ebene bzw. die Prosecco-Hügel von Conegliano. Andererseits fallen südwestlich die ebenfalls noch als Karnische Alpen interpretierten Bergflanken (auch: Belluneser Voralpen) ähnlich steil und dolomitenähnlich ab wie am Monte-Grappa-Stock, der wiederum nach AVE noch zu den Dolomiten gezählt wird, aber auch den Treviso-Voralpen oder weiter gefasst den Venezianischen Voralpen zugeteilt werden kann. Die SOIUSA-Kategorie der Venezianischen Voralpen zeigt hier einmal mehr, dass die Ostalpen im AVE-Katalog präziser aufgeschlüsselt werden. Die Treviso-Voralpen sind dann hier eine Brückenkonstruktion bis zum letzten aller Dolomitenkapitel mit dem Monte Grappa und den Vette Feltrine.

[So 14.7.] Diga del Vajont/Sant’Antonio del Colomber – Codissago – Longarone – Provagna – via MV – Soverzene – via Radweg MV, teils Piste – Soccher – Paiane – Bastia – Puos d’Alpago – Farra d’Alpago/Lago di Santa Croce (Strand/Radweg) – via SP423 – Poiatte – Sella Fadalto (489 m) – Fadalto Bassa – via Sentiero del Lago Morto (Trail/Piste, Straße wegen Bergsturz gesperrt) – Novo Alto – Nove Basso/Lago del Restello – Savassa – Serravalle – Costa – SP151/Colors

67 km | 680 Hm

Zurück im Piave-Tal, kann ich hier einen Sprung machen von Longarone nach Soverzene, handelt es sich doch um eine Dopplung der Strecke vom 18. Juni. Fortgesetzt auf dem Radweg MV, verwirrt die Beschilderung, mehrere Wege splitten sich ohne eindeutige Kennzeichen. Zunehmend nimmt die Besiedlung der Gegend zu.

Die Alpago-Region umfasst sowohl die tiefliegende Ebene beim Lago di Santa Croce wie auch die Hochebene von Cansiglio, vom venezianischen Süden trennt eine Kluse mit kleiner Passhöhe. Die heiße Sommerluft macht die Sicht diesig, am Lago di Santa Croce herrscht typisch italienischer Freizeitrummel, wie er am Sonntag in der Hochsaison unvermiedlich sein muss. Der Platz ist beschränkt, schlickige Schilfgebiete begrenzen die Strandzugänge abseits der offiziellen Promenade.

Nach dem Sella Fadalto tat sich Seltsames auf. Autos wurden auf die Autobahn umgeleitet, ein Schild verkündete Straßensperrung, als Radler durfte ich zunächst weiter. Unten am Lago Morto war dann plötzlich Schluss – Straße (hier identisch mit Radweg MV) am Ostufer gesperrt, mit Polizeikontrolle. Es gab einen Murenabgang mitten auf der Seestrecke, vom anderen Ufer konnte ich den Erdrutsch mit Teleobjektiv erkennen. Der Polizist verwies auf den Wanderweg am Westufer. Das ging eigentlich nicht, ein Trail mit heftigen Rampen auf grobem Gestein, selbst gehen fiel da schwer. Über die Hälfte musste ich schieben. Ein erster Bagger schien schon aufzuräumen, soweit ich das aus der Ferne sehen konnte. Doch der Hang könnte nachrutschen, eine heikle Mission – Natur ist unberechenbar.

Lago del Restello – noch ein nettes Refugium, kleiner See mit Burg, wenig Badetrubel. Die Landschaft ändert sich merklich, erste Weinberge. Endgültig bricht die Kluse bei Serravalle durch zur Prosecco-Hügelregion, als UN-Welterbe geadelt, eine zuweilen auch recht dicht besiedelte Kulturlandschaft. In Serravalle waren die Lokale gefüllt, die Plätze voll, flanieren und schauen in einer historischen Kulisse, man fühlt sich wie in einem offenen Wohnzimmer, starke Atmosphäre. Ich wollte schon bleiben.

[Mo 15.7.] SP151/Colors – Breda – Wanderung Grotte del Caglieron (ca. 40 Min., Haupthöhle und Wasserfall geschlossen) – Piai – Mezzavilla – Via del Cansiglio – Passo La Crosetta (1127 m) – Pian di Cansiglio/Archeton (Picknickareal) – Passo La Crosetta – Caneva – Villa di Villa – Borgo Palù – Sarmede – Cappella Maggiore

53 km | 1115 Hm

Den Berg konnte ich abends noch anfahren, schwieriges Terrain für ein Stellfläche, irgendwo fand sich ein Garten. Unerwartet stoße ich auf Höhlen – Besichtigung ist eintrittspflichtig und ich war viel zu früh. Ein paar Höhlen sind aber über einen Steig frei zugänglich, die eindrucksvollsten Löcher, Kaskaden und Höhlen blieben mir aber verschlossen.

Zum Passo La Crosetta geht es zunächst im letzten Ort nochmal kurz abwärts, dann lange Auffahrt. Der Pass liegt im Wald, teils verkarstete Steinblöcke, mehr noch auf der Abfahrt später auf anderer Route. Der Passhöhe folgt eine Abfahrt zur Pian di Cansiglio, eine ganz eigene Almlandschaft der Alpago-Region, unspektakulär, und doch sehr eigen. Die Ausflugslokale schienen gut besucht, auch ein Golfplatz lockt nohcmal eine andere Klientel als Wanderer an. Ein ganzer Bus mit Kindern hatte eine Alm mit Bioprodukten gestürmt. Hinter einem Monument für gefallene Soldaten verteilen sich Picknickplätze am Waldrand. Ich hatte über eine Waldpiste nachgedacht, aber der Ansatz der Piste erschien mir dann doch zu rustikal. Also retour zum Crosetta-Pass, fuhr ich eine andere Route hinunter zur Ebene.

Aus dem Wald heraus öffnen sich Berghänge mit Rebstöcken, ein Steinbruch reißt rötliche Farbakzente auf, Schlösser zeugen von wohlhabendem Besitztum – die Prosecco-Region weiß zu leben. Solche Region verlangte nach einem Genussmoment. Nach dem Speisegang meinte der Wirt, dass der Computer für die Rechnungsstellung kaputt sei und verlangte pauschale 10 Euro für alles. Der Wert des Essens dürfte eher bei 25 Euro gelegen haben – im Zweifel für den Gast. Schöne Wiese am Ortsrand, lauwarme Nacht – satt, zufrieden, glücklich.

[Di 16.7.] Cappella Maggiore – Fratte (Fregoda) – Anzano – Costa – Vittorio Veneto – Serravalle – San Lorenzo – Borgo Castello (419 m) – Nogarolo – Lago di Santa Maria (Norduferweg) – Lago di Lago (Norduferweg) – Colmaggiore – Lago di Santa Maria/Parco Và dee Femene (Südufer) – Colmaggiore – Fratta – Tovena – Passo di San Boldo (706 m)

47 km | 985 Hm

Vittorio Veneto und Serravalle bilden ein recht unübersichtliches Städtekonglomerat. So irrte ich einige Straßen im Kreis rum, bis ich wieder die Spur fand. In Vittorio Veneto, bereits von der Morgenhitze recht aufgelöst, suchte ich den Brunnen im Stadtpark. Ein Mann auf einer Parkabend echauffierte sich, dass ich mich mit nacktem Oberkörper erfrischte und schmollte mit welchen Gedanken auch immer – „bambini“ hörte ich noch, demnach ich offenbar ein sittliche Gefahr für Kinder sein sollte. Abschätzig beachte ich ihn nicht. Als ich wenig später auf einer Straße zwischen den beiden Städten etwas trödelte, stoppte ein Polizeiwagen und der Carabinieri sprach mich an. Der Mann im Park hatte die Polizei gerufen – wegen nacktem Oberkörper im Stadtpark! Ich durfte dem Polizisten schildern, wie man Katzenwäsche am Brunnen macht. Dann durfte ich weiterfahren. Wie krank sind solche Leute?

Die Strecke nach Borgo Castello ist ein kleiner, aber eng geschlungener Kehrenpass. Die Hitze war erschlagend, jeder der vielen Brunnen wurde zum Sehnsuchtsstopp.

Zur anderen Seite liegen zwei Seen, an denen es eine Biotopzone gibt, ein kleines Refugium, die Uferwege mit Rad befahrbar. Doch dann stand Wasser auf dem Weg, durchfahren oder umkehren? – die Wassertiefe blieb gering, Warnungen gab es aber auch keine. Nicht das gesamte Ufer beider Seen kann man aber unmittelbar befahren, teils muss man unmittelbar über dem See durch Orte wie Colmaggiore. Auch das war ein Gewinn, sehr schöne Freskos bekleiden die Fassaden vieler Häuser, ein ausgewiesener Weg leitet zu allen Bildern.

Next step to climb. Der Passo San Boldo hatte ja einige Vorschusslorbeeren in meine Erwartunegn gestellt. Engel zieren den Basisort Tovena, vielleicht verleihen sie Flügel – nochmal ein Eis, blieb trotzdem heiß, obwohl schon der Abendschatten einfiel. Lange brauchte die Anfahrt, um die ersten Kehren zu erreichen. Die sind zunächst gar nicht so eindrucksvoll. Doch dann folgen die Kehrtunnels, ein wahres Wunder der Straßenarchitektur – eine annähernd symmetrische Ordnung, eng gestaffelt die Fahrspur am Hang. Die Tunnel sind zu eng für Gegenverkehr, entsprechend regeln Ampeln das Zeitfenster zur Durchfahrt. Als Radler muss man aufwärts vorausschauen, ob gerade der nächste Tunnel frei ist, in den Grünphasen schafft man die Intervalle nicht.

Der Passort zieht sich weiter hoch am Hang, unweit der Passhöhe drangen Technoklänge über das Bergland. Denen konnte ich nicht entkommen, doch wurde die Nachtruhe dann doch gewahrt.

[Mi 17.7.] Passo di San Boldo – Signa – Sant’Antonio Tortal – Trichiana – Mel – Gus – Conzago – Carve – Valmaor – Passo del Praderadego (910 m) – Valmareno – Follina – Miane – Combài – Via Bosco del Madean (~660 m)

52 km | 1275 Hm

Die Nordflanke zieht sich wellig und verschlungen ins Tal, eher eine gestaffelte und moderate Abfahrt. Ein Radweg führt zur Piave, die Straße nach Mel ist aber direkter. Mel überrascht dann als pittoreskes Kleinod mit Charme, ein leiser Atem von Kultur und dezenter, historischer Architektur. Die Frau von der Touristinfo ist gesprächig, ein paar Themen der Welt und über die Kultur des Ortes. Sie schenkte mir ein paar Kunstkarten mit Sprüchen gratis, zumal ich beklagte, dass ich in ganz Karnien kaum ansprechende Postkarten finden konnte.

Kaum aus dem Ort im ersten Anstieg, musste ich ermattet erstmal in einen Brunnen steigen. Die Auffahrt ist dann ungleichmäßig, aber doch meist sehr steil, deutlich fetter als der nahe Konkurrent San Boldo. Oben ein Weiler, die Südseite ein Festival in den Fels gehauen, eigentlich eindrucksvoller als die Konkurrenz vom San Boldo – aber keine solchen Kehrtunnels.

Unten im Tal geht es dann wieder ansteigend weiter, nicht so steil, aber schwieriger als gedacht. An einer Kante der Weinhügel liegt hübsch Combài. Ich genehmige mir ein Bier und darf meinen Proviant dazu verspeisen. Für die Nacht weiß ich aber nicht recht weiter. Im Dunkeln erreichte ich den Abzweig zur Malga Budui, jedoch wenden sich die Kehren eng und steil durch dichten Wald. Ich musste schon ein paar Brennnesseln und Dornen weghauen, um an einer Kurve zu rasten. Notbiwak nennt man es wohl.

[Do 18.7.] Via Bosco del Madean (~660 m) – Malga Budui (1218 m) – Pianezze di Valdobbiadene – Passo/Malga Mariech (1504m)/Monte Cesen – Valdobbiadene – San Vito – Fener – Campo di Alano

50 km | 1095 Hm

Es dauert noch, bis sich die Landschaft mehr öffnet, dann aber eine Kette weiter grüner Hügelberge, an dessen Flanke sich die Straße halbhoch und aussichtsreich bewegt. Die Budui-Alm war geschlossen, erst in Pianezze, wohin sich die Straße absenkt, gibt es wieder Rast- und Einkehrmöglichkeiten. Ich wolte aber noch höher, zum Monte Cesen bzw. zur dort nahebei liegenden Alm. Nach der Waldpassage öffent sich eine eite Almlandschaft – gefühlte Unendlichkeit zum Himmel hin. Die Einkehr an der Malga Mariech war etwas enttäuschend, es gab kaum Auswahl fürs Essen, vielleicht auch keine durchgehende Küche, was aber nicht kommuniziert wurde.

Die lange Abfahrt bleibt auch unterhalb von Pianezze aussichtsreich, von einem Herz das zu Tal liegende Prosecco-Land umarmt. Am Rand der Berge und Hügel liegt Valdobbiadene, ein Ort mit Zungenbrechername, der eher schlicht Prosecco heißen könnte. Viel mehr gibt es dort nicht, davon aber viel. Jeder Laden verkostet und verkauft Prosecco. Ich traf ein deutsches Radlerpaar, die sich gleich zum Probetrank des Perlweines zu einer Bar begaben. Das würde mir so am Tage zu Kopfe steigen. Einkaufen musste ich aber, denn der nächste Tag könnte sehr einsam werden.

Zunächst ist die Region noch belebt, an die Piave fügen sich Orte, Industrie und Gewerbe. In Campo di Alano sinnierte ich etwas länger vor der dekorativen Kupfertafel mit der Landkarte der Region. Ein Ehepaar näherte sich interessiert, der Mann erkundigte sich nach meiner Tour. Spontan schlug er vor, in seinem Garten mein Zelt aufzuschlagen. Wie passend, mehr als einige Kilometer zum Fuße der Berge wollte ich eh nicht mehr fahren. Einladung angenommen. Tatsächlich bekam ich Zimmer mit Dusche und WC, langes Abendgespräch mit Wein, Grappa und Prosecco vom Gastgeber. Toni ist Bauingenieur in vielen Teilen der Welt gewesen, vor allem in Lateinamerika, kann nur wenig Englisch, dafür gut Spanisch und Portugiesisch. Jetzt Rentner, war er auch selbst leidenschaftlicher Radler gewesen, immer noch, aber jetzt mit E-Bike. Touren in Amerika, Kanada – eher die großen Weiten waren offenbar seine Refugien. Una serata fantastica! Gastfreundschaft, die besondere. Das muss ich hier besonders betonen, denn der nächste Abend zeigte gleich den gegenteiligen, hässlichen Kontrast. Zwei Abende, zwei Welten.

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