Spitzkehre mit Kuppenberg, mit Velo
Alpen,  Friaul-Julisch Venetien,  Touren,  Venetien

ALP-2024-TiSA-11
Verwunschen, verzückend, verkarstet, geheimnisvolle Sagen, vergessene Sprachen und humorige Künste – die versteckten Schätze der Karnischen Alpen

[Mi 10.7.] Andreis (Picknickareal am Fluss) – Eingangstor Molassa/Valcellina-Schlucht (Via Vecchia geschlossen) – via SR251 (Tunnel) – Montereale Valcellina – Meniago – Meduno – Forchia di Meduno (628 m) – Forchia Piccola (680 m) – Campone – Pian di Clauzetto (870 m) – Pradis di Sotto – Pradis di Sopra/Orton (690 m) – Cimitiero di guerra di Pradis

51 km | 925 Hm

Ich frohlockte an diesem Tag für ein geplantes Highlight, dass zur großen Enttäuschung wurde. Morgens konnte ich noch ein angenehmes Gespräch mit Luca, einem Rennradler aus Pordenone, am Kiosk des Picknickareals führen. Als ich auf das geschlossene Tor zur Valcellina-Schlucht zufuhr, sah ich zunächst nur, dass um 10 Uhr geöffnet würde – nur noch 10 Minuten. Tatsächlich kam dann ein Ranger, machte mir aber klar, dass sich die Öffnungszeiten auf Samstag und Sonntag beziehen, ganzwöchig würde erst ab 13.7. geöffnet – also in nur drei Tagen.

Die ganze Sache hat aber noch einen Haken, und der wird nur verklausuliert in Fußnoten vermittelt: Die Valcellina-Schlucht (Via Vecchia) wurde nur auf einer Strecke von einem Kilometer wiedereröffnet, der Großteil der alten Straßen bleibt auf Dauer gesperrt. Um diesen Kilometer wird so ein Bohei mit Eintritt und Helmverleih gemacht, sodass ich auch am 13.7., als ich nochmal zur anderen Seite vor Ort war, die Lust auf eine Besichtigung verloren hatte. Eigentlich wollte ich ja die Via Vecchia in meine Tour konstruktiv einbauen. Nunmehr musste ich also den allerdings unproblematischen Tunnel nehmen, der die Schlucht umfährt. Zur anderen Seite sind gleich zwei Absperrtore gestaffelt, nicht zu erkennen, ob die alte Straße unpassierbar ist oder schlicht die Steinschlaggefahr übertrieben bewertet wird. Offensichtlich wird die Straße ja von den Rangern benutzt an der Strecke immer mal wieder gearbeitet.

In dem folgenden dicht besiedelten Intermezzo gibt es teils einen Radweg, finde aber keinen Brunnen. So erlöst mich erst der mir bereits bekannte Brunnen in Meduno. Ist der erste Pass nun eher eine sportliche Extraleistung in siedlungsfreier Zone, erweist sich das kleine Campone als idyllisches Schmuckstück mit Römerbrücke und einem charmanten Ambiente, um entschleunigten Urlaub zu machen. So schön, so gut, erreichte ich noch die verstreute Gemeinde Pradis, wo sich zahlreiche Höhlen befinden, aber auch gewichitge Kämpfe im Ersten Weltkrieg tobten.

[Do 11.7.] Cimitiero di guerra di Pradis – Forno – Pielungo – SP55/SP1 – via Val d’Arzino – Anduins – Casiacco/Flagogna SP1/SP41 – Forgaria nel Friuli – Cornino Stazione/Laghetti Pakar – Lago di Cornino – Peonis – Avasinis – Stavoli Grignes – Cuel di Forchia (884 m) – Monte Prat

54 km | 1040 Hm

Eine verschlungene Route führt durch stimmungsvolle Waldlandschaft mit kleinere offenen Weidehängen, ein wenig mystisch. In Pielungo hat man einen vorläufigen Hochpunkt erreicht und kann nunmehr ins Val d’Arzino abtauchen – einem weiteren herrlichen Flusstal der Karnischen Alpen. Vor dem serpentinenreichen Abstieg genieße ich noch Eis und Kaffee auf einer Panormaterrasse in Anduins, bis ich unten angekommen zur Flussbadpause abtauche. Es ist ja Sommer.

Luca hatte mir einen Tipp gegeben für einen tiefblauen See bei Cornino. Zunächst finde ich aber nur einen Fischteich mit geschlossenem Bistro, derweil eine heimische Autofahrerin mir begeistert zuruft und mich auf einem Foto haben möchte. „So einen Radler habe ich noch nie gesehen!“ ist sie ganz enthusiastisch. Hätte ich aus dieser spontanen Euphorie mehr machen können?

Nur wenig später erlebte ich ein blaues Wunder!? – den Lago di Cornino. Der See hat einige Besonderheiten, sammelt Karstwasser aus der Hochebene ebenso wie versickerndes Wasser aus dem Tagliamento, weil er unterhalb des Flussbettes liegt, einst gebildet durch einen Erdrutsch. Der so rasche Wasseraustausch gibt dem See seine Klarheit, Grün- und Blaualgen sorgen für die spezielle intensive Färbung des ansonsten nährstoffarmen Sees.

Die Strecke nach Peonis ist ferner als Strada di Bottecchia betitelt. Ottavio Bottecchia war der erste italienische Tour-de-France-Sieger und kam im jungen Alter von 32 Jahren bei Peonis ums Leben. Die genauen Umstände des Todes sind bis heute ungeklärt. Ging man anfangs von einem Trainingsunfall aus, gestand ein Bauer später auf dem Todesbett, Bottecchia mit einem Stein erschlagen zu haben, weil er Trauben gestohlen hatte. Ein weitere Mordtheorie zielt auf eine faschistische Tat, demnach Bottecchia sich gegen Mussolini ausgesprochen hatte. Ein Auftragsmord soll von einem emigrierten Italiener in New York gestanden worden sein. Sowohl die Unfallthese wie auch die beiden Mordtheorien wecken allerdings bis heute Zweifel.

Die Verkarstung der Region wird auch bei der Fahrt über Hochebene Monte Prat sichtbar. Steil windet sich die kaum befahren Straße hinauf, an der auf den oberen Plateaustufen auf der Nordseite einige unbeowhnte Ferienhäuser platziert sind. Glaubt man die Höhe geschafft zu haben, folgt immer nochmal ein zusätzlicher Wadenbrecher. Von der Passhöhe geht es dann auch nur in gestaffelten Stufen langsam hinunter bis zu einem größeren Plateau von Monte Prat, wo noch eine größere Kindergruppe feierte.

[Fr 12.7.] Monte Prat – San Rocco – Forgaria nel Friuli – via SP41 – Pinzano – Valeriano – Spilimbergo – Tauriano – Vivaro – Sedrano – Aviano – Pra de Plana Aviano

72 km | 550 Hm

Nach Süden fällt die Ebene kehrenreich ab, zurück an einen Schnittpunkt zum Vortag bei der Ponte dell‘ Armistizio. Gelegenheit nochmal für ein eher Morgenbad.

Nach Spilimbergo leitet die Straße geradewegs durch die Ebene fern des Tagliamento-Ufers. Im hübschen Spilimbergo besuchte ich eine Ausstellung des Fotografen Robert Capa und anderer Magnum-Fotografen mit historischen Bildern zur Tour de France – heroische Leiden, fokussierte Rennfahrer im Teamplay, Zuschaueratmosphäre, das Peloton in epischen Landschaften. Das Bildnerische ist der Stadt auch sonst nicht fern, denn eine Spezialschule lehrt altes Mosaikhandwerk, aus dem historische wie moderne Zierwerke neu entstehen.

Indes hatte sich ein Gewittersturm zu einem regelrechten Unwetter aufgeschaukelt. Gefährlich flogen Gegenstände durch die Stadt, das Wasser stieg in den Straßen stiefelhoch, eine Mutter suchte verzweifelt ihr Kind. Der Spuk ist dann schneller vorbei als erwartet. Richtung Aviano breitet sich eine öde Ebene aus, von einem breiten ausgetrockneten Flussbett unterbrochen.

[Sa 13.7.] Pra de Plana Aviano – Bornas – Piancavallo (1267 m) – La Vallata – Lago di Barcis/Ponte Antoi – Barcis – Cimolais – Passo San Osvaldo (827 m) – Erto – Diga del Vajont/Sant’Antonio del Colomber

63 km | 1395 Hm

Noch konnte ich ein Stück der Auffahrt angehen, ohne jedoch den Gasthof Bornas mit Aussichtsterrasse zu erreichen. Irgendwo bot sich dann ein Platz bei einer Hotelruine. Die Besitzer des Gartenhäuschens kamen schon morgens früh und fanden es lustig, dass ich ihre Terrasse zur Nacht genutzt hatte – keine Spur von Groll. Es sind eben Karnier, keine Kärntner. Die Auffahrt war indes etwas lästig ob der vielen Autos – Wochenendhype und italienische Automania.

Piancavallo ist eher ein Skiort mit zweifelhaftem Ruhm. Man ist stolz, als erster italienischer Skiort Schneekanonen für sicheres Skivergnügen eingesetzt zu haben. Heute hat sich das Fun-Erlebnis des Höhenortes auch auf den Sommer ausgeweitet – Hüpfburgen, Shoppingmeile, Restaurants mit lockerer Atmosphäre und sonstige Freizeitaktivitäten sorgen für Autonachschub auch in der warmen Jahreszeit. Dabei fließt der Verkehr fast Ausschließ über die Südanfahrt, nach Norden war die schmalere Straße hingegen fast verwaist.

Der Lago de Barcis leuchtet wie ein magisches Farbauge zwischen den beiden Teilen des Valcellina. Er trennt schon besagte und weitgehend nicht mehr zugängliche Schlucht nach Osten von der gleichwohl reizvollen Flusslandschaft mit eindrucksvoller Bergkulisse nach Westen. Der Passanstieg erfolgt erst spät und kurz ab dem Ort Cimolais. Barcis hatte sich trotz des dezenten Wochenendandrangs eine entschleunigte Atmosphäre.

Im Gegental stoße ich auf den Vajont-Stausee, jener Ort, von dem die Tragödie über Longarone ausging (vgl. Kap. ALP-2024-07). Seit der Katastrophe besteht nur noch ein kleiner See, der eigentlich Stausee ist stillgelegt, die Staumauer kann aber noch mit Führung besichtigt werden. An den Bergflanke gegenüber kann an die Ausmaße des Bergsturzes gut nachempfinden, wenn mir auch die Vorstellung für eine solche Flutwelle fehlt. Die Katastrophe wäre vermeidbar gewesen, denn es gab viele Warnungen, dass der Stausee die Erdmassen instabil machen würden. Es war also auch eine politische Krise, eine Vertrauenskrise in die Behörden. Zum Gedenken an die Opfer wurde hier die Chiesa di Sant’Antonio da Padova al Colomber errichtet, ein architektonisch ähnlicher Bau wie die neue Kirche in Longarone.

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