Blick auf Felsen am Gardasee mit Ponale-Straße
Alpen,  Lombardei,  Südtirol-Trentino,  Touren

ALP-2024-TiSA-18
Seenreiche Bergwelten und wilde Panoramarouten in den Gardasee-Alpen mit einer Brise Parco regionale dell’Adamello

[Di 13.8.] Kehre SP38/Torrente Val di Baes – Gargnano – Navazzo – Lago di Valvestino – Molino di Bollone – Capovalle – Passo San Rocco (960 m) – SP58/SP56 – Santuario della Madonna del Rio Secco

42 km | 1070 Hm

Es wäre auch unsinnig gewesen, noch schnell die komplette Abfahrt zum See in die Dunkelheit zu legen. Der Morgen wollte ja zum Freudenfest werden – Wasserfall, Morgenbad und dann diese Bilderbuchblicke im glitzernden Gegenlicht, oben kühne Adlerdörfer, zum Ufer steil abfallende Klippen, darüber gesteckte Zypressensäulen, die die Villengärten über dem Seeblau wie Zinnsoldaten bewachen.

In Gargnano, eine der Ortsperlen am Westufer, war es mühsam einzukaufen, fehlt es an regulären Supermärkten, stattdessen Spezialitäten für den dickeren Geldbeutel und beim einzigen Bäcker eine lange Schlange. Die Orte hier leben von Touristen, die sich gern spendabel in die Lokale setzen und nicht knausernd die Regale nach Preisniveau abscannen müssen. Selbst die Einheimischen wirken da manchmal etwas verloren, obwohl sie ja auch gerne Teil dieser mußeverliebten Kulisse sind.

Von den hübschen Ansichten der Promenade wandelt nun die Straße zur schönen Aussicht über zahlreiche Kehren, begleitet von Villen und Olivenhainen. Bei Navazzo endet das Panoramaspiel zugunsten einer halboffenen, gleichwohl waldreichen Gegend – still und entrückt so nah und doch fern vom Massentreiben. Der Stausee Valvestino fügt sich langestreckt in diese unauffällige Szenerie, dunkel verschluckt der Seegrund das Licht. Dicht bewuchert, dann und wann schroffe Felsen hautnah an die Straße herangetragen setzen die nächsten Akzente. Ein beschaulicher Mühlenort schmeichelt sich nochmal lieblich in die geruhsame die Strecke ein.

Der Passo San Rocco setzt sich stimmungsvoll fort, kurz vor der Passhöhe ein Ort, der in der tristen Dämmerung etwas vergessen wirkt. Schon kurz nach dem Straßenabfall zweigt eine sehr schmale, eng gewundene, schon leicht verfallene Straße ab, mehrere Steilrampen brachten mich an die Grenzen am Tagesende. Seltsam überspannt ein Pfarrgebäude die Straße, das an eine übermächtig wirkende Pilgerkirche angegliedert ist und weit über das Tal schaut.

[Mi 14.8.] Santuario della Madonna del Rio Secco – Passo Cavallino della Fobbia (1090 m) – Passo Fobbia (1112 m) – Treviso Bresciano – Idro – Pieve Vecchia – Anfo – Tese di Sotto – Cascina Fontana Fredda

30 km | 860 Hm

Die Straße nun moderater steigend, führt zu einer verwirrenden Verzweigung an der ersten Passhöhe, erst der Passo Fobbia aber beendet die Auffahrt und öffnet einen weiten Blick über eine hügelige, waldreiche Berglandschaft. In den Hängen verteilen sich die Anwohner mit üppigen Gärten, wohl können sich hier die meisten weitgehend selbst versorgen, so scheint es. Passend verspricht ein Restaurant in Treviso Bersiano prämierte Regionalküche – hier lebt man fein und slow ganz abseits des Hauptstroms.

Über eine letzte Kuppe getragen öffnet ein weiter Ausblick über den Lago d’Idro und das Val Sabbia. Am See unten schien es zunächst gediegen ruhig, doch bald staute sich der Verkehr bis in den Ort, da die Autos auf der Hauptstraße zur anderen Uferseite sich dicht an dicht nach Norden wälzten. Trotz dem engen Durchschlupf in Anfo, widersetzt sich der morbide Charme des Ortes dem Durchfahrtskorso auf seine eigene entschleunigte Art. Im Brunnen glänzten die Glücksmünzen abergläubischer Besucher, deren begehrliche Wünsche die Fantasie für Erzählungen beflügeln, die solche Kleinode in sich bergen und die Getriebenen in Blechkarossen unbeachtet vorbeifliegen lassen.

Den einsamen Kontrast bricht die Strecke zum Passo del Baremone auf, dessen Straße seit schon längerer Zeit an einem Steinschlagtunnel eigentlich endet, also eine Sackgasse für den Verkehr bildet. Die erschlagende Hitze des Tages ließ mich bei den hohen Steigungsprozenten weiter ächzen, doch brach das Himmelsblau unter fetten Gewitterwolken bald ein.

Als ich mich an einem Rastplatz versuchte von Sekundenschlafattacken zu erholen, störten erste Tropfen meine Ruhe. Eine Camperfamilie in einem selbst umgebauten Transporter gesellte sich hinzu. Als der Wolkenbruch mit Hagel herniederbrach, konnte ich mich glücklich schätzen im Camper Unterschlupf zu finden. Die Meraner stimmten überraschend selbstkritisch und offen mit meinen ketzerischen Ansichten zum heutigen Südtirol und des jetsetmäßigen Tourismus überein. Auch teilten wir die gleichen Wetterbeobachtungen, dieser schleichende Wandel von kleinen Ereignissen als Spiegelbild von weit größeren Klimaphänomenen.

Ein paar Kurven hoffte ich noch nach dem Wetterschlag zu meistern. Doch war bald absehbar, dass ich mich gefährlich in ein Nirwana begab, wenn sich die immer noch schweren und tiefen Wolken erneut entladen sollten. So viel Glück kaum zu glauben, konnte ich einen versteckten, nicht abgeschlossenen Abstellraum bei einem Wasserwirtschaftshaus finden, der so gerade für die Nacht Platz bot. Draußen schüttete es ohne Unterlass. Eine Arche Noah ohne Fenster, aber wer braucht die schon bei Dunkelheit.

[Do 15.8.] Cascina Fontana Fredda – Cuca del Frinc (1290 m) – Passo del Baremone (1406 m)/Rifugio Rosa – Passo della Spina (1521 m) – Passo della Berga (1522 m) – Passo Dosso Alto (1674 m) – Giogo/Passo del Maniva (1664 m) – Ponte Destrone – Bagolino – Valle Dorizzo – Misa – Goletto di Gaver (1795 m) – Goletto di Cadino (1943 m) – Passo di Crocedomini (1892 m) – Bazena

53 km | 1915 Hm

Am Morgen durften sich wieder Gräser und Bäume ihre Tropfen in der Sonne abschütteln, die Straße gewunden, verborgen, Felsen und Wald, eine intime Stimmung, aufgebrochen von einer kleinen Hochweide um das Rifugio Rosa auf der Passhöhe. Die Weiterfahrt beschattet im Wald, bis die Straße kühn durch bizarre Felssäulen tritt, am Tunnel erstmal Straßenschluss. Das Velo ließ sich überheben, der Tunnel selbst passierbar, der folgende Schotter durchaus passabel.

Das Panorama schweift nach Süden über das Val Trompia, die Kehren zum Passo del Maniva weithin sichtbar. Kam ich dem Pass näher, drängten sich zahlreiche Wanderer auf der Piste. Am Pass ein Fest, Freibier? – oder was war los? Ich kaufte selbstgemachte Orangenmarmelade mit Schokolade und sündhaft teuren, gut gereiften Bergkäse an zwei Marktständen. Mir wollte niemand erklären, warum der ganze Volksauflauf – weil das so normal ist an einem Ferientag in den Bergen. Der Italiener sucht Speis und Trank mit viel Trubel und etwas Klimbim – Liegestühle mit Cocktaildrink in der Bergwiese, am besten gleich neben dem geparkten Auto.

Ich versuchte einzukehren, da ein überfülltes Bedienlokal, dort ein minderwertiges SB-Restaurant mit Warteschlange. Flucht, weg da, auf Zwischenhöhe runter, Berggasthof – wieder überfüllt, „nein, kein Platz mehr“. Nach Bagolino runter, am Fluss Grillplätze voll, das Ausflugslokal im Park noch voller. Der Ort selbst fast ausgestorben, kein Geschäft offen, wenig Gastro, Schmuckgirlanden wiesen auf ein kommendes Fest hin. Wieder auf also ohne Rastpause, meine Taschen sind ja recht leer.

In Valle Dorizzo gab es dann endlich einen geöffneten Laden, das Erstandene kann man gleich vor Tür an beschirmten Picknicktischen verspeisen. So sollten alle Supermärkte ihre Kunden umwerben. Auch hier gibt es tschechisches Bier wie so oft auf meiner Tour. Ich wunderte mich, warum so selten in Deutschland, dem Nachbarland des Bieres – von Bierland zu Bierland sozusagen? Nach der Mittagspause am Frühabend war ich übersättigt, die nächsten Meter fielen schwerer. Nunmehr füllte sich das Tal mit Besuchern. Überall rauchten Grillfeuer, Zelte verteilten sich wild am Bergfluss. Schilder, die auf Campingverbote im Regionalpark Adamello hinweisen, wurden im großen Stil missachtet. Ich musste etwas Schmunzeln ob der kleinkarierten Moraldiskussionen in Social-Media-Foren über das Wildcampen und das dem Deutschen doch gerne angedichtete Etikett vom achtlosen Verbotsübertreter.

Die Berge der Adamello-Presanella-Alpen füllen nun die Horizontlücken, die Straße windet sich durch lichten Gebirgswald, urige Bergwiesen, verlorene dahingewürfelte Steinblöcke, leuchtende Lärchen, gekrümmte Kiefernstämme. Ich suchte den Fontana del Lupo. Der Brunnen scheint nicht mehr zu existieren, stattdessen versiegelte Trinkwasserbunker. Schade, ich hatte doch einst so viel Spaß mit diesem Fotomotiv.

Der Passo Croce Domini befindet sich bereits im Schatten mehrerer Vorpässe, von denen der Goletto di Cadino sogar höher liegt, aber ohne Rifugio und Passschild. In der Dämmerung blieben meine Eindrücke etwas verschwommen von der Fahrt über die offene, grüne Almlandschaft, ein Hof mit unfreundlichen Hunden, im Ganzen ein durchhängendes Plateau, das in eine weite Bergarena eingebettet ist. Am Croce Domini war es schon nachtdunkel, das Restaurant schloss gerade, kein Platz für Picknick oder Zelt. Ich ließ mich nochmal weiter bis zum Rifugio Bazena runterfallen, just dort rustikale Bänke und Tische mit Wasserstelle auf einer abgezäunten Rastwiese.

[Fr 16.8.] Bazena – Degna – Bienno – Berzo Inferiore – Esine – Piancogno – Darfo Boario Terme – Gorzone – Angolo Terme – Belvedere Lago Moro – Anfurro – Monti (849 m) – San Vigilio – Castellfranco – Fermata Castello – Costa Volpino – Lovere – Castro – Gré/Sportaction Kajakgelände

65 km | 705 Hm

Die Abfahrt ins Valcamonica entlockt herrliche Ausblicken auf einer kühnen Trasse mit aufregenden Kurven. Neue Gipfelketten erobern den Horizont – die der Bergamasker Alpen. Ein dichtes Siedlungsband mit viel Gewerbe und mehreren Verkehrsachsen durchziehen das Valcamonica zwischen Bienno und dem Iseo-See. Je nach Ziel lassen sich manche verkehrsreichen Strecken aber auch umgehen, so etwa über den Ciclovia dell’Oglio, den ich hier aber nicht genutzt hatte, weil ich westlicher noch eine Höhenroute einstreuen wollte, bevor ich den Lago d‘Iseo und dann dessen Westufer erreichen sollte.

Die quirligen Orte sind durchaus interessant mit besonderen Läden, kleinen Museen und schmückenden Sehenswürdigkeiten im öffentlichen Raum. In Esine gibt es sogar ein Museum mit historischen Fahrrädern, einer Vintage Collection. Einen Besuch muss man allerdings telefonisch ausreichend früh organisieren, sonst ist meist geschlossen bis auf spezielle Tage der Offenen Tür. Schade.

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