Velo vor Bergteich und Bergkulisse Predarossa
Alpen,  Lombardei,  Touren

ALP-2024-TiSA-20
Bunte Steine, wilde Bergstraßen, sanfte Weinhügel – das Valtellina mit Fensterblick in die Bernina-Alpen

Nunmehr starte ich die Kapitel der Reise, die ich ursprünglich so nicht geplant hatte. Eigentlich wollte ich eine Rückroute über den Splügenpass mit einigen Rheintälern und etwas Montafon antreten. In mir reifte aber der Gedanke, dass ich die Tour noch konsistenter dem Thema Tirol/Ital. Südalpen widmen könnte. Ich hatte zunächst übersehen, dass um das lange, flache Adda-Tal im Valtellina (Veltlin) mehr Möglichkeiten bestehen als nur eine Schnellverkehrsroute, die ich mal vor längerer Zeit gefahren war. Abgesehen von einem neuen Radweg an der Adda, eröffnen sich reizvolle Höhenrouten und einige alpine Sackgassen der Sonderklasse. Für den Übergang vom Valtellina ins Valcamonica konnte ich eine wenig bekannte Variante austüfteln, sodass es kaum Dopplungen zu alten Touren gab. Anders gesagt habe ich das Veltlin dort noch einmal ganz neu entdeckt, wo sich sonst selten Reiseradler hin verirren. Eine klare Werbebotschaft also hier, einmal Blicke in das Kapitel zu werfen. Das Valtellina, so sei noch geografisch angemerkt, grenzt im Süden zwar an die Bergamasker Alpen, doch ist es mehr ein Kind der Bernina-Alpen, die uns somit auch nahe der Schweiz bringen, wie auch das Veltlin eine grenzüberschreitende Region bildet.

[Sa 24.8.] Colico – via SS36 – Careciasca – Dubino – Mantello – Traona – Mello – Civo – Serone – Caspano (860 m)

32 km | 740 Hm

Kaum zu glauben, dass selbst nahe dem Trubel von Colico noch einsame Plätze zu finden waren, so bei einer etwas abgelegenen Schlossvilla. Aus Colico ist die Ausfahrt wohl kaum ohne verkehrsreiche Engstellen möglich. Ich konnte ohnehin nicht der Adda folgen, da ich ja eine Höhenroute ins Val Masino gelangen wollte, die die urbane Siedlungszone in der Talsohle umgehen sollte. So musste ich mich auch etwas an der nördlichen Talflanke herantasten, wo der erste Abzweig möglich würde.

Die geeignete Auffahrt beginnt in Traona, das den Besucher mit einer farbenfrohen Botschaft empfängt, an der die Kinder der Gemeinde maßgeblich beteiligt wurden. Die Serpentinen durch Dorf und Weinberge überraschen mit ideenreich wie nützlich gestalteten Innenräumen. Da glänzt mal ein ästhetischer Mosaikstern, in einer anderen Kurve kann man sein Picknick unter einer Weinlaube verspeisen, in den nächsten Kurven sich an Brunnen erfrischen oder gefallenen Soldaten gedenken. Gegen Tagesende erreiche ich Caspano, wo sich steil im Hang Schloss und Kirche erheben. Unten finde ich ein Freizeit- und Sportgelände, wo nach kurzer Zeit ein Mann sogar eine kleine Kneipe für ein Bier öffnet – perfekt!

[So 25.8.] Caspano – Cevo – Ponte del Baffo (SP10/SP9) – Cataeggio – Filorera – San Martino – Via Val di Mello/Gatto Rosso (1050 m) – San Martino – Bagni di Masino (1172 m) – via Piste – Cascata Bagni di Masino (1200 m) – San Martino – Filorera – Kehre an der Via Predarossa (Wassergewinnungsanlage, ~1375 m)

38 km | 1240 Hm

Über eine Quellwiesenebene jenseits von Caspano stürzt die Straße tief ins untere Masino-Tal. Das Val Masino dringt tief in die Bernina-Alpen ein, mit sogar drei Ursprungstälern. Die enge Talfahrt beginnt am wilden Bergfluss. Cataeggio und Filorera reihen sich direkt aneinander, nur schmal können sich die Dörfer entfalten. Steil ragt die Schneegipfelkulisse empor, in die sich der Kirchturm hineinzubohren scheint – so nah wie fern zugleich.

Eine Spezialität des Veltlin genießt hier den Ruf besonders exquisiter Qualität. Die Bisciola, ein Stollenkuchen oder auch Panettone Valtellinese – fester und nahrhafter als der sonst bekannte italienische Panettone – soll auf Napoleon zurückgehen, der auf seinem Zug durchs Veltlin von der Bevölkerung forderte ihm ein einheimisches Dessert zu bereiten.

Die Straße bahnt sich an imposanten Felsblöcken vorbei den Weg, Freeclimber wagten sich in die Steilwände. In San Martino ballten sich die Besucher um die wenigen Gastrobetriebe und Geschäfte zusammen, während viele Sonntagsausflügler noch weiter ins Val di Mello drängten. Ungeplant mochte ich dem Herdentrieb folgen, was es da zu entdecken geben sollte. Für Radler ist das Tal aber ein mittlere Zumutung. Anfangs quälte ich mich über eine rumperlige Pflasterstraße, bis ein Piste das Geläuf verbessert, aber nur für kurz, dann auch die Piste sich wieder verschlechtert. Almwirtschaften und sogar ein Campingplatz liegen am Ende des Fahrwegs, im Flussbecken lässt sich zwischen Blocksteinen baden, kleine Sandbuchten sorgen für ein enges Strandleben am türkisfarbenen Gewässer. Kaum weniger einsam dürfte es weiter am kleinen Bergsee gewesen sein, den ich wegen des groben Geläufs dann doch ausließ.

Die weitere Anfahrt im Haupttal mühe ich mich durch noch mehr Steinblöcke, mächtige Wasserfälle ergießen sich über glattgeschliffene Bergflanken. Nach einem bemoosten Feenwald endet die Straße in Bagni di Masino, einem mittlerweile verfallenen Kurhotel um eine Thermalquelle, die noch als Brunnen in einem offenen Portal kaum beachtet weitersprudelt. Obwohl es nur kleine Verpflegungshütten gibt, sind Wald und Bergwiesen geradezu belagert, weiter führen noch die Wanderwege, unweit ein mächtiger Wasserfall. Leider trübte der Tag ein, die Besucher packten zusammen und leichter Regen verleidete mir gemütliches Verweilen.

Der dritte Talast beginnt bei Filorera, steiler und anspruchsvoller als die beiden Zweige zuvor. Warnschildern und strenge Auflagen beschränken die Befahrung der Straße. Ich verstehe aber nur Teile von den ausgewiesenen Regeln und musste vermuten, dass sich auch nicht alle Besucher daran halten. Eine Warnleuchte verbot mir eigentlich die Zufahrt, sie leuchtet bei ungünstigen Wetterprognosen, wohl weil Bergrutsche bei starken Regenfällen zu befürchten sein könnten. Andererseits hat es weiter oben Bewohner, die dieser Warnung nicht folgen wollen(?) Der Regen kam auch, blieb aber eher ein Geriesel. Zur aktuellen Trasse gibt es im mittleren Teil noch eine mittlerweile verfallene Straße, die mir einen etwas abenteuerlichen Rastplatz gewährte – sonst ist hier nur Steilgelände ohne Rastflächen.

[Mo 26.8.] Kehre an der Via Predarossa (Wassergewinnungsanlage) – Sasso Bisolo/Rugio Scotti – Predarossa (1955 m) – Filorera – Ardenno – via Strada del Vino – Ronco – San Pietro Berbenno – via N38 – Sassella

47 km | 675 Hm

Den Berg wühlte ich mich schwer weiter nach oben, ein Rifugio liegt eher mittig zur Auffahrt als Teil eines verteilten Bergweilers. Für nun winden sich Serpentinen durch Wald und Felsen, vom Rand grüßen einige seltsame Schnitzwerke mit Humor, sogar die Käsevesper mit Wein läst mit Waldmaterial zum Kunstwerk ohne Mindesthaltbarkeitsdatum gestalten.

Das Straßenende mit Parkplatz und nur wenigen Berghäusern war doch wenig besucht, das Wochenende vorbei und dazu noch schlechtes Wetter. Der Platz hier mit aufgestautem Bergbach und Bergteichbiotop eröffnet eine traumhafte Aussicht auf die leicht rötlichen Felsen des Gebirgskessel, der Name sagt es ja – Predarossa (auch Preda Rossa).

Nur selten traute sich die Sonne vor, zum Zelttrocknen reichte es. Der Abfahrtsrausch setzte manche Endorphine frei, immerhin fällt man von 2000 m auf 266 m hinunter. Deutlich wärmer war es dann auch an der Strada del Vino, die hier recht weit unten in der Talsohle verläuft. Statt Sondrio oberhalb zu umfahren, muss ich mich zwecks Supermarkteinkauf auf die Hauptstraße mit üblem Verkehr begeben, zu der sich parallel eine kilometerlange Gewerbezone vor den Toren Sondrios erstreckt. Heftig der Kontrast dazu das anheimelnde Terrassendorf über der Straße, mit eigenwilligem Turm aus dem 15. Jahrhundert, authentisch renoviert und zeitweise als feines Restaurant geführt, dessen Status aktuell unklar scheint – der Turm soll zum Verkauf stehen.

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