ALP-2024-TiSA-20
Bunte Steine, wilde Bergstraßen, sanfte Weinhügel – das Valtellina mit Fensterblick in die Bernina-Alpen
[Di 27.8.] Sassella – Sondrio – via SP15 – Mossini – Cagnoletti – via Sentiero Rusca (Radweg) – Torre di Santa Maria – via Sentiero Rusca – Chiesa in Valmalenco – Lanzada – La Prese – Franscia
30 km | 1235 Hm
Auch die zweite große Sackgasse aus dem Adda-Tal in die Bernina-Alpen verzweigt sich in längere Ursprungstäler – derer sind es zwei. Ich beschränkte mich jedoch auf nur einen Talast, auf das längere und wohl auch schönere, wie mir die Touristinfo in Chiesa bestätigen sollte. Eigentlich verdient schon das gemeinsame Haupttal bis Chiesa in Valmalenco eine Sternewertung, wobei nur der unterste Teil steiler ist, während man ab Cagnoletti lange Zeit am Bergfluss moderat aufgleiten kann.
Ich hatte zunächst keine Kenntnis von dem Radweg bis Chiesa in Valmalenco und quälte mich mit vielen Autos von Sondrio aus durch die Rebenhänge hinauf. Wer das mal nachfahren sollte, kann hier gleich verkehrsärmer über Arquino und dann nahezu autofrei den Sentiero Rusca ebenfalls durch Weinberge, aber enger verschlungen beradeln. In Cagnoletti tangiert die Straße diesen Sentiero Rusca, wo ich dann auch die Spur wechsle. Der recht neu ausgebaute Rad- und Fußweg basiert auf einer historische Passroute, die einst bis ins Engadin führte. Fast durchgehend asphaltiert, locken zudem schöne Rastplätze am Wegesrand. Das landschaftliche Erleben ist verschieden von der Straßentrasse durch die direkte, rauschende Nähe zum Bergfluss.
Jenseits von Chiesa in Valmalenco wird der Radweg zwar noch fortgesetzt, endet aber als Piste irgendwo im Nirwana eines Bergwaldes. Es macht hier Sinn, nur noch der Straße zu folgen, auch die Piste würde bei der letzten Bar im letzten Ortsteil Tornadri auf die Bergstraße münden.
Die Strecke führt nun über Kehren an einem Bergwerk vorbei, heutzutage als Museum zu besuchen. Durch Felstunnels und Kluse zwängt sich die Straße weiter vor, geprägt von ehemaligen Wohnhäusern der Bergarbeiter und Zeugen der Förderwerke. Ein kleines Plateau erlaubt schließlich etwas mehr Platz für ein Bergdorf mit mehreren Gasthöfen. Ich wollte mich etwas belohnen und verspeiste Polenta-Gnocchi mit Spargel, Pestosauce und Käse sowie Pfirsichkuchen mit Karamellsauce, begleitet von Rotwein und Espresso (Albergo/Ristorante „Fior di Roccia“) – sehr lecker.
[Mi 28.8.] Franscia – Campo Moro (2024 m) – via Piste – Lago di Alpe Gera (2100 m) – Chiesa in Valmalenco – via Sentiero Rusca – Torri di Maria – via SP15 – Cagnoletti – via Sentiero Rusca – Arquino – Ponchiera – Colda – via Strada del Vino (Via Panoramica/SP21) – Montagna in Valtellina – Poggiridenti – Ponte in Valtellina – Castionetto – Sant’Antonio (700 m) – Possegia – Tresenda
70 km | 1150 Hm
Nicht weniger aufregend ist die oberste Etage dieser Anfahrt, nunmehr mehr eng geschlungen die Kehren, Bergwald, Felstunnels und aufblitzende Gipfelschönheiten führen schweißtreibend in strahlender Morgensonne zum Stausee Bacino di Campo Moro.
Der Asphalt endet wenig später an einem großen Parkplatz, von vielen Wanderern angesteuert. Noch aber stellt sich eine weitere Staumauer steil empor, die den Lago di Alpe Gera knapp hundert Meter höher festhält. Dazu wird das Geläuf recht grob schottrig bis zur Infotafeln zum Stausee unter der Staumauerkrone. Dort wartet eine asphaltierte Schlussrampe mit um die 20 %, eher noch mehr, der Weg extrem eng und von Wanderern begangen. Ich versuchte es quasi mit Anlauf, ein Anfahren mittendrin ist kaum möglich. Belohnt wird man mit einem eindrucksvollen Gletscherblick, dessen Aderlass sich in den See ergießt.
Den Abfahrtsrausch unterbrach ich mit Wasserfallbadepause, sodann ich in Cagnoletti den unteren Teil des Sentiero Rusca mir noch anschauen wollte. Nach Arquino runter führen 19 engst gewendete Kehren auf Beton oder Asphalt durch Trockenmauern eines alten Weinbergs. Das ist rekordverdächtig, an solch enge Kurvenradien kann ich mich nur auf der Route des Diligences im Wallis erinnern, aber dort auf Schotter.
Um die Strada del Vino zu erreichen, fällt die Zufahrt fast bis zur Talsohle und nach Sondrio ab. Tatsächlich gibt es noch weiter oben radelbare Höhenwege, die dann auch auf die Weinstraße münden, sind aber nicht ausgeschildert. Nach dem ersten Hochpunkt bei Castel Grumello verläuft die Strecke wellig im Rebenhängen mit mehreren Weindörfern, in denen es kaum Versorgungsmöglichkeiten gibt. Fürs Gebet gibt es dagegen majestätische Heiligtümer wie z.B. die hoch herausragende Santuario di Nostra Signora di Loreto in Tresivio. In Tresenda zurück im Adda-Tal, fand ich noch eine geöffnete Bar an der Transitstraße. Der Ort wird quasi vom Verkehr geschluckt, fast schon menschenfeindlich zu nennen – nur zur anderen Uferseite ist es am Sentiero Valtellina erträglich geräuschärmer.
[Do 29.8.] Tresenda – via Radweg Sentiero Valtellina – Bianzone Bassa/SS38 – Stazzona – SP25/SS39 – Strada per San Rocco – Marto – San Rocco (1041 m) – Pra Piano – Passo di Trivigno (1605 m) – Trivigno – Trivigno Colonia/Campo Sportivo (1794 m)
27 km | 1395 Hm
Für meine Route musste ich zunächst die Hauptanfahrt zum Aprica-Pass ignorieren und dem Adda-Fluss folgen. Am noch taunassen Morgen und im Gefecht der Sprinkler über den Maisfeldern, Birnen- und Apfelplantagen legte sich eine romantische Auenstimmung, bevor die Temperaturen des Tages wieder schnell in die Höhe trieben.
Für den Supermarktbesuch querte ich nochmal eine Brücke, bevor der Anstieg zum Aprica-Pass beginnt, eine zweite Variante zu dem von Tresenda aus. Tatsächlich zielte ich auf eine andere Route, die sich kaum merklich an der Auffahrt und nach der Fusion beider Aprica-Auffahrten ergibt. Die Strada per San Rocco führt als ruppiges Sträßlein durch Wald und an Felsen vorbei, fällt zwischenzeitlich einmal ab, passiert den fast vergessenen Weiler San Marto. Aus dem Wald heraus grüßt eine Kirche inmitten der Hangwiesen, der sich dann mehr Häuser zerstreut anschließen, wohl viel von Feriengästen bewohnt. Um 1850 hatte das Dorf San Rocco mal 100 Einwohner, die Bedeutung als wichtige Zwischenstation für die Trivigno-Almen nahm aber mit der Zeit ab.
Nach den Häusern führt die Straße über einen Sattel auf die Gegenseite nach Tirano runter. Ich nahm aber die abzweigende, weiter steil ansteigende und schmale Straße. Man passiert ebenso noch vereinzelte Ferienhäuser mit weiten Wiesenöffnungen, ebenso aber auch tief schattige Waldstücke bis zum Trivigno-Pass, der am Rande einer Moorlandschaft liegt und an dem eine weitere Auffahrt von Tirano mündet.
Nach Trivigno steigt man noch weiter auf, ein Almweiler mit einigen Ferienhäusern und einem Hotel, das im Namen ein Paradies verspricht. Ein letztes Stück stärkere Steigung endet dann bei letzten Häusern, wo ein Skiclub eine zwar geschlossene, aber mit Vordach und Picknicktischen doch für mich gut nutzbare Hütte aufgestellt hat. Eine geruhsame Weite schweift zu weit entfernten Gipfelketten, im Sonnenuntergang ein Zauber wahrlich wie im Paradies.
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