Die Sandmühlen von Sternenfels
Wer mag es denken, dass ein so lieblicher Landstrich einmal von Sand zerrieben wurde. Was nach bösem Spuk klingt, war einst ein einträgliches Geschäftsmodell. Zerrieben wurde die Menschen eher zwischen den Herrschaftsbereichen entlang der Eppinger Linien als billiges Bauernopfer.
Das Zabergäu und der Naturpark Stromberg-Heuchelberg bilden die Schnittstelle zwischen Heilbronner Land und Kraichgau – Regionen mit alten Weinbergen, die sich zuweilen steil von Steinriegelstufen gebrochen, die sich die anschmiegsamen Hügel hinaufschwingen. Im Herbst leuchten die Farben sanft zwischen hellem Grün, mildem Gelb, und rotem Weinlaub, durchschienen im sonnengetränkten Land, das nicht selten verlassen wirkt – nur überspannt vom Schrei des Bussards. Am Wegesrand spiegelt sich das Himmelszelt im Kornblumenblau. Die Mais- und Weizenfelder schimmern besonders zum Kraichgau hin zu Gold- und Sandfarben, als wäre es ein Abbild der Erdschichten, die einst auch das Wirtschaften in der Region prägte.
Vergessene Berufe: Sandbrecher und Sandbauern
Die Sandbrecher besorgten die grobe Arbeit, brachten die die dann auf handliche Größe gekappten Steinbrocken zu den Sandbauern der Sandmühlen, die einen weißen, auch mal ins Goldgelbe gehenden mürben Fegsand herstellten, der der Reinigung von Holzböden dienten. Der sogenannte Stubensandstein ist geologisch noch ein Auslauf des weißen Tafeljuras der Schwäbischen Alb, wo sein Abbau manche Höhle entstehen ließ. Nicht weniger aber ist Sandstein aber auch ein eigentypischer Baustoff der Region.
Der konsumistische Verrat an der heimischen Erde
Enzo Gutta, der mit seiner Frau Dunja in Sternenfels schon seit mehr als einer Dekade eine empfehlenswerte Osteria führt, kritisiert die moderne Bau- und Gartenkultur, in der ein wildes Durcheinander von unpassenden Baustoffen vorherrscht. Die regionalen Materialen sind auch immer die besten Lösungen, konsistenten Stil und klimaangepasste Funktion mit der Landschaft zu verbinden. Villen mit toskanischem Marmor neben japanische Steingärten mitten ins Zabergäu zu stellen, seien nicht konsistent. Sie sind ein Zeichen von Stillosigkeit moderner Zeiten, in denen es mehr um protzende Showeffekte geht als um Identität zur regionalen Einzigartigkeit.
Es ist wohl auch jener entartete Konsum, der die Ressourcen des Erdenballs immer mehr bedroht. Muss da ein Italiener den Blick auf die Besonderheiten der Heimat hervorheben? Oder ist Enzo überhaupt ein noch ein Fremder? – Konsistenz der Lebensweisen ist nie fremd, sondern vor allem authentisch. Der Sandstein, auch wenn jahrundertelang abgetragen, bleibt immer ein Teil dieser Stromberg-Kraichgau-Heimat.
Höhepunkt und Ende der Sandmühlen
Während der Dreißigjährige Krieg zur ersten Krise des etwa 2000 Jahre alten Gewerbes der Steinhauerei führte, stieg in der Mitte des 18. Jahrhunderts der Wunsch nach mehr Sauberkeit. Sandmühlen gewannen an Bedeutung und bis zu drei Millionen Liter Fegsand von ca. 35 Sandmühlen exportierte die Region im 19. Jahrhundert ins nahe Stuttgart. Das Geschäft machte die Menschen nicht reich, doch war es attraktiv genug, dass 1760 sogar eine Burg zur Gänze abgetragen wurde. Für den Abbau des knapper werdenden Sandsteins lohnte mehr und mehr der Handel mir Schürfrechten. Doch die Moden der Böden der Häuser änderten sich wie hin zu Parkett oder Linoleum. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich eine chemische Putzindustrie, der 1935 schließlich auch die letzte Sandmühle zum Opfer fiel.
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