ALP-2020-RA-4
Bahnwelten II, Schellen-Ursli und Dörfercharme: Vom Unterengadin durchs Landwassertal in die Plessur-Alpen mit der Ferienregion Lenzerheide-Arosa
So 26.7. Brienz – Lenz – Lenzerheide – Heidsee – Valbella – Lenzerheidepass (1549 m) – Churwalden – via Polenweg (Piste) – Abzweig Passugg (855 m) – Praden – Tschiertschen (1345 m) – Molinis (1039 m) – via Piste – Litzirüti – Arosa (1735 m, Obersee) – Prätschli/Planetenweg (~1915 m) – Arosa (Obersee) – Litzirüti (1450 m)
59 km | 1825 Hm
Zwischenspiel Lenzerheide mit Waschhäusern und Klapperlapapp
In Lenz erinnern renovierte alte Waschhäuser an Zeiten mit noch schwerer Handarbeit. Die Hochtalkuppe Lenzerheide, auch Lenzerheide-Valbella als Doppelort der Gemeinde Obervaz (Vaz), ist keine spektakuläre Überfahrt. Die Panoramablicke nach Süden verbleichen etwas im trüben Grau des Morgens und spröde Anlagen für Skilanglauf, Golf und Camping prägen die Nahbereiche. Die Einkaufsmeile in Lenzerheide verspricht gängiges Sport- und Modeshopping für gehobene Geldbeutel. Doch wo Geld, da auch Kultur: Klapperlapapp lädt in Valbella zum sommerlichen Märchen- und Geschichtenfestival, das sich auf ausgewählte Orte in der ganzen Schweiz verteilt. Valbella-Ort liegt dem leicht erhöhten Dorfgebilde eine idyllische Oase zu Füßen – der Heidsee. Es ist eigentlich ein Doppelsee, teils naturbelassen die Ufer, für Freizeitaktivitäten dezent genutzt – ein doch reizvoller Platz für Mußestunden.
Von der nicht ausgewiesenen Passhöhe schieße ich schnell hinunter nach Churwalden, zunächst unterbrochen von einem Flohmarkt in Parpan, wo große Kuhglocken wohl die nächste Bergwelt einläuten sollen. In Churwalden muss ich den Polenweg finden, das ergibt sich schnell. Der Pistenweg bietet die Alternative zur Straße und gegenüberliegend (Osthang), grundsätzlich guter Untergrund, zum Auffahren schon eher hakelig. Der Weg stößt auf die Straße von Passugg nach Tschiertschen mitten in einer Steilkehre, noch deutlich oberhalb von Chur.
Das Schanfigg der Plessur-Alpen – Spielzeuglandschaft mit Charme, nicht ganz ohne Geschmacksfehler
Die steile Rampe bleibt zunächst erhalten nach Praden, pralle Sonne treibt den Schweiß noch heftiger an – jeder Brunnen ist mir einen Stopp wert. Das Panorama wächst mit der Gegenseite zu einer großen Arena mit grünen Weiden, Bergdörfern und gestreuten Weilern. Der Begriff Spielzeuglandschaft liegt wiederum nahe. Tschiertschen trägt das Label „Schönste Dörfer der Schweiz“ – verdiente Meriten? Kitsch oder noch Charme? – Ich bewerte hart: Viel Charme, großartig, für Genussmomente – warum nehme ich nicht mehr Zeit zum Verweilen?
Die fortan schmale Straße windet sich recht wild hinunter, ohne große Talsicht im Bergwald gefangen. Zur Talsohle in Molinis ist der Übergang zum Gegenhang möglich. Hier auf der nachmittäglichen Schattenseite wirds mitunter auch steil, aber nie extrem, glatte Piste, weit oben wieder Asphalt. Rodungsflächen setzen Blicke frei in die Bergarenen – versteckt drängt mal unten die Arosabahn ins Bild. Nach Blocksteinen und dunklem Schweigewald trifft der Fahrweg in Litzirüti am Bahnhof auf die Arosa-Straße. Zuunterst begleitet die Straße noch eine Bahnkehre, dann trennen sich wieder die Wege.
Arosa erreiche ich durch ein aussichtsarmes Spalier von Nadelwald. Das Sonnenlogo kündigt den Ferienort an, den ich weit zurück aus meiner Kindheit im regnerischen Alpensommer kenne – und erinnere? – an den See schon mal nicht. Er öffnet sich gleich nach wenigen Häusern ein Promenadenumlauf mit großer Bergkulisse. Eine Einkaufsmeile zweigt im Südwesten ab, kaum aber ein echter Dorfkern.
Vom Obersee möchte ich noch höher. Eigentlich ein Traumausblick am Prätschli. Ich bin jedoch spät und oben ist bereits kalt. Zurück zum Obersee. Einige Trendlokale sind übervoll, wenig Stil. Der Italiener im Ort ist mäßig, Pizza eher zu teuer, der Service schlecht und unfreundlich. Irgendwie empfinde ich den Ort nicht einladend. Ich verlasse Arosa ohne Sicht auf den Untersee und Iselsee. Gewiss, man kann noch manche Tour umherfahren. Vielleicht wäre es zu anderer Tageszeit oder mit mehr Geld einladender. Arosa irgendwie mehr Flop als top, quasi wiederholt eine leise Enttäuschung. Vielleicht ungerecht. Aber so wars für mich – ungefähr 50 Jahre nach dem ersten Mal.
Unten: Arosa-Architektur als Stilmix eines globalen Dorfes – probieren geht über studieren
Mo 27.7. Litzirüti – Langwies – Peist – St. Peter – Castiel – Maladers – Chur – Trimmis – Zizers – Landquart (530 m) – Malans – Jenins – via Weinbergpiste – Unter Rofels – Ober Rofels – via Piste/Heidiland – Heidihof/Bovel – St. Luzisteig (716 m) – Balzers – Triesen (462 m) – Triesenberg – Guferwald/Abzweig Masescha (~1070 m)
69 km | 1075 Hm
In Litzirüti ist noch nachtfrisch und morgens schattig. Zurück nehme ich die Straße auf der Nordseite des Plessurtals. Es gibt viel zu sehen, vor allem mit den Viadukten der Arosabahn. Ein Ort nach meinem Geschmack ist Langwies, mit kleinem Dorfladen, verwunschenen Winkeln, Froschkönigbrunnen – und Ausgangspunkt für Wanderrouten, auch Mountainbikestrecken. Ich war auf all die Nebentäler des Nebentals nicht vorbereitet, der Kosmos ist immer größer als erwartet. Die Straße windet sich nur dezent fallend über dem Tal, immer wieder mit Balkonblicken auf wunderbare Alpenkulturlandschaft mit Bähnli und Häusli. Schmeichelhaft!
Die Frage noch offen: Welche Seite ist schöner im Plessurtal? – Die Frage ist unfair. Die Antworten ungerecht. Die Nordseite hat insgesamt mehr Sonne und Aussicht, die Südroute hat mehr Schatten und Abwechslung. Tschiertschen auf der Südseite ist die gehätschelte Perle des Tals, aber auch mit vielen Touristen. Zur Nordseite gibt es mehr Orte und Besiedlung, dafür schlichter als das Klischeekleinod der Gegenseite. Der Verkehr ist zur Südseite deutlich geringer, zuweilen nahezu autofrei. Die Steigungen sind auf der Südseite deutlich härter als auf der Nordseite bei insgesamt mehr Höhenmetern. Wichtig zu wissen: Bei Langwies macht das Tal einen Knick und die Himmelsrichtung ändert sich von einem Ost-West-Tal in ein Nord-Süd-Tal. Für den Schlussteil Litzirüti – Arosa gibt es nur die eine Zufahrtsstraße, die landschaftlich das schwächste Glied insgesamt ist. Für Mountainbiker gibt es dort noch andere Möglichkeiten der Arosazufahrt.
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