Fotocollage Nordsee-Leuchturm, Infohütte und Bild Ehrenwärterin Sina vor schneebecktem Berghang, Velo
Alpen,  Schweiz,  Touren,  Zentralschweiz

ALP-2021-TdS-02
Das Wegekreuz Reuss-Rhein im Gotthardmassiv Nord

Zurück an den Reussquelltälern

(Fr, 2.7.) [Nähe Forte Bedrina – via Val Tremola/Tremolastrasse –] Passo del San Gottardo/St. Gotthardpass (2091 m) – via Tremolastrasse – Briggboden – via Gotthardstraße – Mätteli – Hospental – Andermatt – Göschenen – Wassen – via Meiental – Meien – Sustenbrüggli – Sustenpass (2259 m) [– Himmelrank (Kurve oberhalb Steingletscher)]

57 km | 2015 Hm

Zeitsprung auf die Gotthard-Nordseite

gepflasterte Tremola auf der Nordseite
Tremola-Pflasterstraße auf der Nordseite des Gotthards

Als ich am Sankt-Gotthard-Pass stehe und vor mir die Abfahrt entlang der oberen Gotthardreuss liegt, habe ich den italienischsprachigen Teil meiner Tour de Suisse abgeschlossen. Der Sprung hier vom Lukmanier- zum Gotthardpass ist insofern auch ein Witterungswechsel, denn dort erlebte ich mehr sommerliche Welten als zum Beginn der Reise. Auch dieser Tag steht ganz sommerlich heiß gar unter einem klaren Sonnenhimmel – zumindest bis in die späten Nachmittagsstunden.

Blick auf Straßenkehre mit Gotthard-Mätteli
Mätteli-Kehre der Gotthardstraße

Die Nordseite bietet übereinstimmend zur Südseite des San Gottardo noch eine Forstsetzung der gepflasterte Tremolastrecke als Alternative zur Hauptstraße – allerdings nur auf den obersten 3,8 km. Anders jedoch als im Süden ist landschaftliche Perspektive nahezu identisch zur neuen Gotthardstraße. Es handelt sich eher um eine Paralleltrasse als ein alternative Wegführung. Trotz der besetzten Parkplätze und gut besuchter Sonnenterrassen bleibt der Verkehr auch auf der Hauptstraße doch erstaunlich überschaubar. Überraschend lieblich dekorieren Blumenwiesen die Berghänge, habe ich die Nordseite des Gotthards doch arg geröllig in Erinnerung. Dies trifft auch auf den oberen Teil zu, den ich aber schnell hinter mir liegen habe.

Unähnlich zu Andermatt hat sich Hospental nur innerhalb seines eigenen Stils verändert, besser gesagt aufgehübscht. Die Hotels sind sorgsam, fast kitschig schön renoviert. Ich hatte sie etwas verfallen mit ausgegrautem Putz in Erinnerung. An Wanderer und Velofahrer richtet sich ein neues Backpacker-Hostel. Anders als in Andermatt verzichtet man aber auf die Anbiederung zu einer moderner Schickeria-Welt, auf die große Geldmaschine eines internationalen Jetsets.

Einsame Bergwiesenromantik im Meiental, nicht ohne Motorentod

Hier stehe ich nun vor der Wahl, über Furka-Rhone ins Wallis oder via Susten-Grimsel. Die Entscheidung hatte ich aber längst gefällt, zunächst möchte ich den Bogen durchs Berner Oberland mit den beiden Hauptquellflüssen der Aare einbauen. Nocheinmal quere ich also die Schöllenenschlucht mit Rast auf dem neuen Grill- und Picknickplatz an der Radstrecke. Nach der langen Pause scheint die Überfahrt des Sustenpasses recht knapp kalkuliert. In Wassen zwängt sich die Meienreuss durch ein enges Felstor, sodass man kaum das reißende Wasser am Talgrund sieht. Der Schlucht überführt bald in ein weites Bergwiesental mit üppiger Blumenpracht und weidenden Kühen, dürftig besiedelt mit wenigen Dorfweilern. Geradezu gegensätzlich ist hier die Landschaft zum Göscheneralptal mit seinen felsigen und waldreichen Steilflanken. Hier aber verebben die blumenreichen Bergwiesen nur langsam in eine engere Talfurche. Zunehmend brechen felsige Adern und Bergbäche in das Wiesengrün ein, breiten sich buschige Sträucher von Alpenrosen aus. Ein Felstor eröffnet die alpine Bergpassage hinter einer Schranke für den Wintersperrbereich.

Mit der letzten von wenigen Einkehrmöglichkeiten an der Sustenpasstraße auf der Uri-Seite, dem Sustenbrüggli, beginnt das Felsenmeer, spröde und rau, geröllig rutschend, die Horizonte bizarr gezackt. Das in Stein eingeschraubte Motorradmodell am Sustenbrüggli wirkt wie ein Mahnmal an die motorisierten Zweiradfahrer, auch wenn es mehr als Einladung zur Rast gedacht sein soll. Die lustgeilen Röhrenkönige sind zu später Stunde jedoch eine Ausnahme, die wenigen Verirrten legen indes noch da und dort laute Tonspuren auf. Von der Beiz- und Bikestation mit Parkplatz startet ein beliebter Wandersteig zur Sustlihütte, auf der man auch übernachten kann.

Fortan umarmt eine lang gezogene Doppelkehre den obersten Teil des Passes, nochmals mit Felstoren und gleich zweimal gezeichnet mit dem Urner Wappentier des Auerochsens und seinem furchteinflößenden Nasenring. Die Berner mögen es dezenter, sie leihen ihrem Bären nur ein kleines Abbild. Von den Rändern drängt für Anfang Juli noch eine erstaunliche Masse Firnschnee zur Straße – ja selbst Lawinenabgang könnte ich mir noch jetzt vorstellen. Eine eisige Note füllt die kalte Abendluft – brrrrrr. Abweisend schluckt der Scheiteltunnel des Sustenpasses das letzte Schweigen des Meientals.

Wenn du hier direkt dem chronologischen Anschluss in den ersten Teil des Berner Oberlandes folgen möchtest, was passiert auf der anderen Sustenpassseite, dann müsstest du zum Kapitel ALP-2021-TdS-18 Alpchäs, Kaskadenrausch und Kurvenlabyrinth im östlichen Berner Oberland wechseln, das ich erst als Finale zum Berner Oberland behandle. Zuvor stelle ich hier aber mit Tessin, Luganer Alpen und Wallis die wichtigsten Schwerpunkten der Reise vor, sozusagen die gesamte Südschweiz. Wir springen also zurück zum Lukmanierpass in der ersten Junihälfte.

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