Kopfsteinpflaster in perspektivischer Nahaufnahme
Alpen,  Schweiz,  Tessin,  Touren

ALP-2021-TdS-04
Das Valle Leventina mit Tremolafieber am San Gottardo

Wadenkribbeln nach Gribbio

Die nächste Nebenroute zum Ticino folgt nur teilweise einem Tal, eher kreuzt die Höhenroute kleinere Bergabflüsse und bohrt sich dabei in das bergige Hinterland hinein. Die Straße über den höchsten Punkt Motta di Gribbio überwindet mehrere deftige Steigungsspitzen, schon eine erste im unteren Teil jenseits von Nivo. Hier passiert man einen urig knorrigen Kastanienwald, das Panorama ins Valle Leventina bleibt hingegen auf ein kleines Sichtfenster beschränkt. Das Tal des Ticinetto erreicht man eigentlich erst in Chironico und verlässt es dort auch gleich wieder. Dem Ticinetto könnte man auf Asphalt nach zu einem Wasserfall in einer Sackgasse folgen. Ich drehe hier aber gleich in Richtung Gribbio.

Die Sonne blinzelt auf der steilen, schmalen Straße im Licht-Schattenwechsel durch einen Bergurwald, in dem sich Bäche in speiende Wasserfallstrahlen entladen. Dann öffnet sich eine Arena mit Bergweiden, die von Gipfelkulisse in der Ferne eingerahmt werden. Über die frisch gemähten Heuwiesen richtet sich bald der Blick auf einen Bergweiler, zu den man sich mühsam raufarbeiten muss. In Gribbio scheint dann die Straße zunächst zu Ende. Man holpert über ein paar Pflastersteine zwischen Häusern daher und fühlt sich an Walserdörfer erinnert. Überraschend führt dann doch eine Asphaltstraße weiter, die erneut steil ansteigt und vom frischen Grasschnitt noch gepolstert ist. Während eine Sackgasse weiter in Richtung der Bergspitzen strebt, dreht eine Haarnadelkurve zu einer mittelgebirgigen Waldheide hinauf. Im lichten Wald erreicht man eine Kuppe, die kaum als echte Passhöhe zu interpretieren ist.

Zunächst verliert sich die Abfahrt etwas reizarm hinunter, bis in der Ferne der weite Blick Richtung Valle Leventina die alpinen Dimensionen wieder in Erinnerung rufen. Über hügelig geschwungene Bergwiesen fliegt man nach Dalpe hinunter, gleich von einer flachen Gegenkuppe aufgefangen, die den Vogelblick zum Ticino nochmals kurz unterbricht.

Ist das Wasser des Menschen Untertan?

Die Umfahrung über Gribbio hat den Nachteil, dass man dabei den sehenswertesten Teil des Ticino-Wasserlaufs im Valle Leventina verpasst. Entsprechend hatte ich das aber mit einer weiteren Sonderschleife bedacht, sodass ich zunächst das Tal quasi zurück hinab nach Faido fahre. Die Gola del Piottino bildet eine ausgewaschene Schlucht mit Trogtöpfen, Felsrippen und Gumpen, die in intensiven Smaragdfarben leuchten. Bereits 1928 baute man für das Wasser einen neun Kilometer langen Tunnel zur Kraftwerknutzung nach Nivo. 1980 wurde das Wasser nochmal in einen anderen Tunnel umgeleitet, um den Bau der Autobahn zu gewährleisten. Durch die Schlucht fließt daher seit knapp 100 Jahren weniger Wasser, aber es wurde eine Mindestdurchflussmenge festgelegt, um die Naturschönheit der Schlucht und des Piumogna-Wasserfalls in Faido zu erhalten. An einem Weg, der unterhalb der Straße mit den Galerien verläuft, wird derzeit gearbeitet – denkbar, dass dort ein Radweg entstehen könnte.

In Faido bildet die Cascata Piumogna die Kulisse eines beliebten Freizeitgeländes, das zu einem Teil beim leichtesten Windzug von dem Wasserfall eingestäubt wird. Die Jugend weiß den Spaß zu schätzen und belustigt sich mit einer Wasserschlacht aus dem zusätzlich angebotenen Brunnenwasser.

Um wieder zur Piottinoschlucht zurückzugelangen, hatte ich mir die aussichtsreiche Bergroute über Carì ausgesucht, die direkt unterhalb der Schlucht auf die Gotthardstraße mündet. Zur Auffahrt der Ostseite bleibt einem das Panorama ins Valle Leventina bis zum Bergweiler Carì durchgehend erhalten. Ich erreiche den Ort mit Ferienhäusern und einem Restaurant/Hotel erst zur Dunkelheit. Da ich oben um geschlossene Küche fürchten muss, stocke ich meinen Proviant an einem gut bestückten Selbstbedienungshoflädeli auf. Es gibt sogar ein Fläschchen Bier in dem besonders vielfältigen Angebot des Bergbauernhofs. Ich hoffe man verzeiht mir dort, dass ich das gesamte Wechselgeld für einen Hunderter in Anspruch nehmen musste.

(Do, 1.7.) Carì-Prodör – Tarnóuc – Vigera – Osco – Brusgnano – Rodi – Piotta – Altanca – Piora Bergstation – Lago Ritom/Piora – via Pistenweg (mittelgut) – Cadagno di Fuori – Alpe di Piora – Capanna Cadagno (1987 m) – Lago Ritom – Altanca – Brugnasco – Madrano – Airolo – Nähe Forte Bedrina

58 km | 1525 Hm

Die Besiedlung reicht noch über den Hochpunkt der durchgehenden Straße hinaus. Ich nehme jedoch nach unorthodoxer Nachtruhe wieder Kurs ins Tal auf. Die Abfahrt zur Westseite ist deutlich abwechslungsreicher mit unterschiedlichen Waldteilen, Bergweiden mit Ziegen und Eseln, Blumenwiesen, zahlreichen Wasserfällen, Bergweilern und dem etwas größeren Dorf Osco. Aussicht und greifbare Bergwildnis wechseln miteinander, die Straße meist eng gewendet und auf Tuchfühlung zu den Stützmauern, Wasserkaskaden oder Bergweiden. Wenn man die Wahl hat, sollte man diese Höhentour vielleicht besser umgekehrt fahren als ich es getan habe.

Alpenrosentraum im Val Piora mit dem Lago Ritom

Nochmals durch die Gola del Piottino, nunmehr bergauf, und zurück in Rodi, nimmt das Valle Leventina zunächst einen etwas langweiligen Verlauf. Die recht gerade gelenkten Verkehrsachsen bestimmen das Tal, das hier flach genug, auch noch einem kleinen Flughafen Platz gewährt. Ich habe dabei übersehen, dass man nach Altanca bereits früher eine Straße aufsteigen kann. Wohl aber sind die Kehren von Piotta nach Altanca hinauf eindrücklicher. Schmaler und steiler wird dann die Straße zum Lago Ritom hinauf, nochmals die Standseilbahn kreuzend, die allerdings nicht ganz bis zum See hinaufführt, sondern bis zu einer Bergstation an der Straße, von der aus Bergbahngäste noch weiter zum Lago Ritom laufen müssen.

Von der Bergstation wendet sich die Straße von der Talhanglage stärker ab, um ins moderat steigende Hinterbergland einzutauchen. Der Asphalt endet zwar an der Staumauer des Lago Ritom, doch bleibt die Piste weiterhin gut fahrbar, auch Autos fahren noch nach Cadagno di fuori im Val Piora, also am Lago Ritom vorbei und bis zu dem Bergweiler mit Parkplatz (San Carlo, 1916 m), Restaurant und Unterkunft. Ausgangs vom Lago Ritom steigt die Piste in kleinen Stufen wieder stärker an. Gröber wird die Piste dann von Cadagno di fuori zur Capanna Cadagno, die sodann letzte Bergunterkunft, rustikaler als in Cadagno di fuori, aber doch recht modern konzipiert.

Meine Erwartung, hier ende die fahrbare Piste, scheint nicht zu stimmen. Zwei Hauptpisten führen in unterschiedliche Richtungen, zum einen in Richtung Passo dell’Uomo mit Weiterführung zum Lukmanierpass oder als MTB-Piste ausgewiesen in Richtung Passo del Sole, Passo delle Colombo u.a.m., letztlich fast alle im Bleniotal mündend. Alle Wege dürften aber in grobe Pisten oder Trails übergehen, die mit Reiserad nicht mehr fahrbar sind.

Zurück in Altanca, kann man weiter eine Höhenroute befahren und die verkehrsreiche Talsohle des Valle Leventina umgehen. Die Straße ist zwar aktuell als gesperrt ausgewiesen, das Hindernis stellt sich aber als eine unbedeutende Ortsbaustelle in Brugnasco heraus, die ich mit Radl mühelos überwinden kann. So gelange ich nahezu verkehrsfrei und weit oberhalb der Verkehrsachse am Ticino bis nach Airolo.

Straße mit Felsenund Bergwald

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