ALP-2021-TdS-12
Das geschäftige Oberwallis von Mörel bis zur Sprachgrenze
Aufbruch ins Turtmanntal
Die Gegenseite der Moosalp trägt ein stark verändertes Landschaftsbild. Bergblumenwiesen werden von dichteren Waldabschnitten unterbrochen, während im Tal die Gipfelkette der Berner Alpen das breite Rhonetal krönen. Nicht weniger steil ist hier das Gefälle, die Straße oft eng. Schnell sind die über den Hang unübersichtlich verteilten Dörfer erreicht, die sich auch noch weiter nach Südwesten in den Hang hineingesetzt haben. Zwischen den Dörfern dreht sich die Hangroute wiederum tief in die schattigen Talfurchen rein, um aus der Einsamkeit wieder in liebliche Aussichtsorte zu wechseln. In Eischoll gönnt man sich moderne Kunst und präsentiert sich als Heimat der Lichtblume – eine der Herbstzeitlosen verwandten Frühzeitlosen, die nunmehr im Sommer aber nicht mehr blüht.
Älplermagronen für den deutschen Gastarbeiter
Ins nächste Seitental der Rhone gelangt man so, ohne vollständig auf die Talsohle des Rotten abzufallen. Indes sind die gesparten Höhenmeter bescheiden. Da die Straße doch recht tief abfällt, hätte ich nur wenig mehr Höhenmeter über den Bergort Ergisch aufaddiert. So verpasse ich diese kleine, aber aussichtsreichere Abkürzung und kehre oberhalb Turtmann bereits in Weinhängen scharf ins Turtmanntal ein. Kaum ist die enge Kluse am Turtmänna erreicht, dreht die Straße auch wieder ab. Die Schlucht wird nunmehr auf einer weiten Schleife über Unter- und Oberems umfahren, einem offenen Berghang, der bei großer Hitze mir nicht so recht Freude machen will. Die Bewohner müssen sich in der abgeschieden Lage mit nur wenigen Gästen zufriedengeben.
An schönen Wochenenden lockt das Tal aber durchaus viele Wanderer an. Bevor ich den verteilten Bergweiler im oberen Teil erreiche, nähert sich die Straße wieder dem Bergbach schattig an. Als ich bei Dämmerung im urigen Almrestaurant Zär Trächu eintreffe, beginnt es bereits wieder zu regnen. Erstmals speise ich Älplermagronen (Älplermaccaroni), ein sättigendes Gericht aus Makkaroni, Kartoffeln, Zwiebeln und Rahm, das im Ofen überbacken und mit Apfelmus gereicht wird. Das Gericht verbreitete sich mit den Pasta-verliebten italienischen Gastarbeitern über das Tessin und das Wallis weiter auch in die Deutschschweiz. In gewisser Weise bin ich ja auch als Gastarbeiter unterwegs.
In die Nacht hinein hat es sich mittlerweile kritisch eingeregnet. Da ich keine Schutzhütte finde, versuche ich mein Glück mit Zelt auf dem Spiel- und Picknickplatz. Dort drohen aber bereits Pfützen das Zelt zu fluten. Bei den Versuchen einzuschlafen, überfällt mich immer wieder die Vorstellung, dass ja auch der Bergbach überlaufen könnte. Ich hatte nicht wirklich darauf geachtet, wieviel Pufferhöhe noch vorhanden sind. Es waren zwar mehrere Meter, aber angesichts späterer Kenntnis von den Sommerfluten war meine Sorge nicht ganz unbegründet.
(So, 11.7.) Gruben/Meiden – Vorder Sänntum (Straßenende) – via Piste (ziemlich schottrig, schwer zu fahren) – Turtmannsee (2186 m) – Gruben/Meiden – Oberems – Unterems – Turtmann – via Feldwege/Rhoneradweg – Susten – Leuk (Stadt) – Restaurant Rendez Vous – Satellitenbodenstation Brentjong – Albinen (Straßensperrung im Ort umfahrbar) – Leukerbad
61 km | 1435 Hm
Leicht durchgerüttelt: Traumkulisse Turtmanngletscher
Nochmal berappelt sich der Sommer für einen herrlichen Sonnentag, wenngleich ich mit dem Trocknen der Ausrüstung zunächst mal gut beschäftigt bin. Ich möchte ja auch nicht das Wasser den Berg hinauffahren. Der Glitzerglanz verdichtet sich freudig auf der weiteren Route, zunächst noch auf Asphalt bis zu einem Wanderparkplatz.
Folgend windet sich die Piste zunächst noch mit gutem Geläuf nach oben, wird aber immer ruppiger. Weiter oben setzt sich eine recht lose schottrige Piste fort, auf der gerade Bergbauern eine paar Kälberzöglinge zu ihren erwachsenen Kuhgenossen bringen. Da die Steigung nicht gerade gering ist, habe ich arg zu kämpfen, überhaupt radelnd den Stausee zu erreichen. Es bleibt aber bei nur meterweisen kleinen Schiebeeinheiten. Umso glücklicher macht das leuchtende Blau des Turtmannsees, der in der Sonne vollen Strahleglanz entwickeln kann, umgeben von blumenreich bestückten Bergwiesen und vor der Kulisse des Gletscherweiß. Genügend Grund, bereits am frühen Mittag eine Faulenzerpause einzulegen.