Ausschnitt Aletschgletscher mit kleinem See
Alpen,  Schweiz,  Touren,  Wallis

ALP-2021-TdS-11
Die Oberwalliser Eröffnung mit dem Goms und der Aletsch Arena

Der Tourverlauf brachte es mit sich, dass ich zur Rhone über die Grimselwelt stieß, also nicht über den Rhonegletscher selbst unterhalb des Furkapasses (den ich ebenso auch bereits 2005 passierte). Die noch so junge Rhone treffe ich hiermit in Gletsch wieder, noch ganz im Zeichen der Serpentinen des Grimselpasses. Es ist eine fast dunkle Waldansicht, die hinunterführt, bis sich das Flussbett erstmals etwas weitet. Ein verschwiegen alleinstehendes Hotel namens „Rhonequelle“ erdreistet sich die Quelle der Rhone weit nach unten umzudeuten. Oberwald ist dann der erste Ort im Wallis, gut für ein Abendessen und Nachtlager.

(Di, 6.7.) Oberwald – Ulrichen – Münster – Gluringen – Selkingen – Blitzingen – Fiesch – Ernen – Außerbinn – Steinmatta – via Twingischlucht/Radpiste (guter Zustand) – Schmidighischere (Binn) – Giesse (1458 m) – Schmidighischere – via Twingischlucht/Radpiste – Steinmatta – Ernen – Lax

56 km | 690 Hm

Vom „Weger Baschi“ und Gommerstadel

Das Dorf empfängt den Gast mit einem harmonischen Ortsbild mit typischen Obergommer Häusern, deren Ursprung auf die Walser verweist. Hier ist noch nicht abzusehen, dass Teile des Ortes nur wenige Tage später von der großen Sommerflut arg betroffen werden sollten. Einen Vorgeschmack darf ich bereits am Abend erleben. Doch zunächst labe ich mich sommerlich durch das Obergoms, dessen Ortsgeschichten auf Infotafeln anregend in der Ich-Form erzählt werden. Ulrichen stellt sich als traditionelles Säumertor zum Süden vor, der Weg über Nufenen- und Griespass einst bedeutend für den Handel zwischen Langobarden und Burgundern, welche sich bereits im Wallis mit den Alemannen arrangieren mussten und bis heute für eine Sprachgrenze mitten durch den Kanton sorgt. Da ist auch die Legende vom „Weger Baschi“, einem schier unglaublich starken Hünen aus Geschinen, der erschöpfte Säumer und Maultiere samt aller Lasten über die Pässe getragen haben soll.

Kann man schon dem Namen nach Geschinen auf „cascina“ (Käse) zurückführen, so finde ich auch gleich eine Biokäserei vor den Toren von Gluringen, die mit gefrorenem Joghurt nicht zuletzt Eisschlecker anzieht. Die Biokäsereien des Goms haben sich zu einer erfolgreichen Kooperative unter dem Dach der Schweizer Coop-Gruppe zusammengeschlossen. Die seit Jahrhunderten bestehenden Gommerstadel sind gleichwohl kooperative Lager- und Arbeitsräume, die sich mehrere Eigentümer teilen. Den Unterbau nutzt man zur Haltung von Kleintieren oder als Werkstatt, heute auch mal als Garage. Durch die Stützen mit runden Steinplatten werden unliebsame Nager von den oberen Speicherräumen ferngehalten, wo nicht nur Feldfrüchte bewahrt werden, sondern auch Kleider oder Papiere.

Musik, Kunst und Säumer im Binntal

Für das erste Nebental der Rhone tauche ich unterhalb von Fiesch noch vor dem nächsten Ort Lax in die tiefe Flussfurche ab. Gleich zur Gegenseite baut sich ein harter Gegenanstieg auf zum so bezeichneten Musikdorf Ernen. Das musikalische Etikett geht auf Meisterkurse für Klavier und Kammermusik zurück, die 1974 der ungarische Pianist György Sebök initiierte. Den Kursen folgten schließlich mehrere alljährliche Konzertreihen für barocke wie moderne Kammermusik bis hin zum Jazz, Lesungen und eine Schreibakademie. Die feine Kulturauswahl findet einen kunstvoll verspielten Rahmen in freskenverzierten Häusern, die zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert errichtet wurden. Der Dorfplatz wirkt dabei wie ein offenes Wohnzimmer. Das Tellenhaus erzählt dazu die Geschichte des Apfelschusses von Wilhelm Tell.

Der Wadeneinsatz hat sich gelohnt, denn fortan steigt die Straße nur noch moderat und enthält manche nahezu flache Passage. Nach einer Kurve um den Bergrücken wendet man sich schließlich dem tief eingeschnittenen Binntal zu. Bergwiesen umgeben noch den Bergweiler Ausserbinn, bald aber verengen sich tannenreicher Bergwald und steile Geröllhänge zur Twingischlucht, die das Tal wie ein Tor abschließt. Für die Autos wurde ein Tunnel nach Binn gebaut, dem Radler die alte Passstraße als Piste überlassen. Mountainbiker können auch noch vor dem Tunnel einem Römerweg nach Grengiols zurück zur Rhone folgen. Durch die Twingischlucht und das Binntal führte einst über den Albrunpass eine wichtige Handelsroute zur Alpe Dévero, das Val d’Ossola und das Langobardenland der oberitalienischen Tiefebene. Es waren die Walser, die als Säumer den Handel sicher und effektiv zu gestalten wussten und Griespass und Albrunpass eine weit größere Bedeutung zukommen ließen als die heute weit wichtigeren Pässe wie Gotthard oder Furka.

Unter der zunehmend regnerischen Wolkendecke stellen sich mir noch ein paar Rätsel auf. Da sind Flaggen mit großen Löchern gehisst, Baumstümpfe mit golden Pailletten ummantelt, ausgerissene Wurzelwerke in ein Samttuch gewickelt. Die seltsamen Skulpturen aus künstlichen Werkstoffen und Naturelementen sind Teil der 15. Twingi Land Art, zu der zwölf Künstlerinnen und Künstler aus dem In- und Ausland eine Werkparade erstellten. Leider kann ich die Fahrt durch Kunst und Natur immer weniger genießen, kurz vor Binn setzt heftiger Regen ein und treibt mich zu den Unterständen im Ort.

Das Bergdorf Binn als solches gibt es gar nicht, sondern hört eigentlich auf den Namen Schmidighischere. Doch hat sich der Name der Gesamtgemeinde Binn auch als Name für den Hauptort durchgesetzt. Selbst die lokalen Infotafeln verschweigen den rechten Ortsnamen – wer möchte ihn auch schon aussprechen? Das Ortsbild gefällt mit den traditionellen Giebelhäusern aus dunklen Holzblanken, mit der schmucken Steinbogenbrücke. Etwas aus dem Rahmen fällt das Hotel Ofenhorn als mächtiger Belle-Époque-Bau, welcher an die guten Zeiten eines aufkeimende Alpentourismus im 19. Jahrhundert erinnert. Leider muss ich meine Fahrt zum Straßenende in Fäld mit einer denkbaren Übernachtung auf dem dortigen Zeltplatz schon bald unsanft abbrechen.

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