Serpentineneldorado Grimselpass Nordseite
Alpen,  Berner Oberland,  Schweiz,  Touren

ALP-2021-TdS-18
Alpchäs, Kaskadenrausch und Kurvenlabyrinth im östlichen Berner Oberland

In der Geschichte meiner Tour de Suisse müssen wir nun einen großen zeitlichen Sprung in die Vergangenheit machen. Vielleicht erinnerst du dich an den Tessin-Ausklang über die Tremola am Gotthardpass am 2. Juli. Genau dieser Tag war es, als ich zum Sustenpass auf der Urner Seite aufstieg. Diese Beschreibung fiel bereits an das Ende des zweiten Reisekapitels: ALP-2021-TdS-02 Das Wegekreuz Reuss-Rhein im Gotthardmassiv Nord.

(Fr, 2.7.) [Nähe Forte Bedrina – via Val Tremola/Tremolastrasse – Passo del San Gottardo/St. Gotthardpass (2091 m) – via Tremolastrasse – Briggboden – via Gotthardstraße – Mätteli – Hospental – Andermatt – Göschenen – Wassen – via Meiental – Meien -Sustenbrüggli –] Sustenpass (2259 m) – Himmelrank (Kurve oberhalb Steingletscher)

57 km | 2015 Hm

Die Gletscherschmelze des Steingletschers im Angesicht des Porsche-Machismo

Es ist beißend kühl am Sustentunnel, die Restschneeberge zur Seite treiben die Gedanken noch weiter in eine Schauerwelt aus Eis und Schnee. Diese Schauerwelt ist auch unser Leben, ein stetes Wasserreservoir, das sich im Bedarfsfall der warmen Jahreszeit langsam die nötigen Tropfen spendet. Das Eis der Gletscher, das nunmehr die Gegenseite auf der Westflanke des Sustenpasses eindrucksvoll in Szene setzt, ist hingegen ein Klimaindikator, dessen Abschmelzen die Alarmanlage für steigende Meerespegel, krasse Bergrutsche und Flutwellen ist.

Ich erreiche einen Aussichtspunkt, an dem ich in nahezu identischer Perspektive und zu nahezu gleicher Jahreszeit die Gletscherwelt am Steingletscher 16 Jahre zuvor fotografiert habe. Und obwohl sich das schlechte Wetter des Sommers auswirkt und der späte Rückzug des Schnees dem Gletscher ein frostigeres Aussehen im Vergleich zum Julianfang 2005 verleiht, so tritt eine erstaunliche wie erschreckende Veränderung ins Auge: Die Gletscherzunge hat sich gewaltig am Berg nach oben verschoben. Etwa die Hälfte an Länge hat der Gletscher eingebüßt, wenn man den noch saisonalen Altschnee abzieht, der im Laufe des Sommers noch verschwinden wird.

Neben dieser Klimabeobachtung kommt es zu noch mehr Zufälligkeiten: Ich beende den Tag in der Dämmerung genau in der Steingletscherkurve, die über dem Hotel und Weiler Steingletscher liegt. Ebendort in dem Hotel nächtige ich die gleichen 16 Jahre zuvor – damals mit ziemlich rustikalen Zimmern und mit noch recht günstigen Preisen. Heute hat das Hotel ins Ambiente investiert und die Preise erheblich erhöht. Indes hat sich nicht nur der Gletscher verkleinert, sondern auch mein Budget. Eines ist jedoch geblieben: Der Kurvenzeltplatz hat die gleiche faszinierende Aussicht wie das Hotelzimmer unten.

Eigentlich sollte alles für eine romantische Nacht bereitet sein, von der etwas ungemütlichen Höhenkühle mal abgesehen. Doch die Ruhe wird von Gastretermachos gestört. Zwei Porschefahrer rasen im Funmodus die Sustenstraße hoch und kehren ungefähr wohl zur Passhöhe um. „Meine“ Kurve habe sie sich als Treffpunkt ausgesucht, die Autos mal zu tauschen und eine Fotosession zu machen. Da darf ein weibliches Fotomodell nicht fehlen. Alles läuft ab wie in einem Klischeefilm. Was zur späten Abendstunde schon genügend nervt, setzt das Porsche-Duo am nächsten Morgen fort. Bereits vor 6 Uhr heulen die Motoren auf. Und sehen wir nochmal die Gletscherentwicklung an, dann kommen mir Tränen in die Augen, welche Unvernunft diese Ursache vom Klimawandel vorantreibt. Aber nichts davon ist verboten und kümmert die Welt nicht. Es haben eben oft die falschen Leute das viele Geld, das den Globus ruiniert.

(Sa, 3.7.) Himmelrank – Steingletscher – Gadmen – Fuhren – Hopflauenen – Wagenkehr/Leimboden – via Gental – Schwarzental – Engstlenalp – Engstlensee (1860 m) – Engstlenalp

36 km | 1010 Hm

Regenzeit auf der Engstlenalp mit Alphorn- und Westernromantik

Vielleicht hatte ich eine gute Ahnung über die Wetterentwicklung des Tages. Ich entscheide, nicht die Steingletscherstraße noch zusätzlich aufzufahren. Stattdessen rausche ich ins verschwiegen und enge Gadmental (auch: Gadmertal), wo sich die Morgensonne nur langsam aus dem Schatten der steil aufragenden Berggrate befreit. Kaum sichtbar zweigt die enge Straße ins Gental mit Zeil Engstlenalp ab. Es ist verblüffend, dass hier der Postbus sogar mühelos hinauffindet. Auch Militär ist auf der Strecke unterwegs und erinnert an eine irgendwie überholte Vergangenheit von Kriegsgeschehen mit Pfadfinderromantik. Rauchfeuer geben den Soldaten Hinweis, wo sie sich hinbewegen müssen.

Ist der erste Teil eng bewaldet und ohne Aussicht, gelangt man so erst nach längerer heftiger Steigung ins eigentliche Gental. Hier befindet sich eine Mautstelle mit Restaurant und ein Abzweig nach Hasliberg. Das Gental entspannt sich nun flacher und breiter ansteigend, Wasserfälle sprühen überall zu den Seiten, die Kuhweiden sind gut besetzt. Nach dieser Genusspassage werden die Waden etwa mit Erreichen des Weilers Schwarzental wieder stärker gefordert. Die Jungibachfälle bilden hier eine ganze Felsgardine aus Wasserfallstrahlen.

Mein Timing ist ungewollt recht präzise. Mit Erreichen des Hochplateaus um die Engstlenalp setzt zunächst Sprühregen ein, der wenig später in heftigen Dauerregen übergeht. Noch kann ich den weiter hinten liegenden See fotogen einfangen, wenig später sinkt die Sicht auf kaum 50 Meter. In der Käserei kann ich weiteren Joghurt- Käseproviant erwerben. Das geplante Picknick muss ich aber zugunsten der Einkehr in das Engstlenalp-Restaurant und -hotel aufgeben. Dort sitze ich dann fest. Die Bude ist recht voll, ein Pferdetreck hat sich über die Nacht einquartiert. Vom Heidelbeerkuchen schleppe ich mich zum Abendessen mit Käse gefüllten Röstirollen. Nachdem mir die Hotelherrin einen Zeltplatz im Hintergarten genehmigte, leiste ich mir noch einen Pflümlikaffee. Ein Mann der Pferdetrekker in traditioneller Tracht bläst dazu für eine fast vollendete Almidylle auf einem Alphorn an. Obwohl der Regen zu späterer Stunde abebbt, bleibt eine Abfahrt auf dem schmierigen Gemisch aus Wasser und Kuhfladen zu gefährlich. Mit 36 km Tagesfahrleistung kratze ich an meinen Minusrekorden von Tagesetappen, doch sollte es im Wallis ja noch drastischer werden, wie ich bereits berichtet habe.

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