ALP-2021-TdS-18
Alpchäs, Kaskadenrausch und Kurvenlabyrinth im östlichen Berner Oberland
Das kultivierte Verbrechen: Sherlock Holmes‘ Todeszone
Das gut beträufelte Wasserschauspiel hat diesem trüben wie nassen Tag nun ein passendes, gleichwohl noch glanzvolles Gesicht gegeben. Die restliche Tagesstrecke verläuft trocken, aber düster im flachen Tal bis Meiringen (Nebenstraße abseits der Aare). Das mir schon bekannte Meiringen hat seine historischen Romanhelden Sherlock Holmes und James Moriarty nochmal mehr herausgeputzt als in Jahren zuvor. Die jederzeit einsehbaren öffentlichen Infotafeln erzählen die historische Kriminalgeschichte, neben der Skulptur von Sherlock Holmes sind weitere Skulpturen zur Story errichtet worden.
Ein Detektiv vom Publikum vergöttert, vom Autor gehasst
Der britische Schriftsteller Arthur Conan Doyle (1859-1930) ersann eine Kriminalserie, in der der mit neuen kriminologischen Methoden der Forensik und scharfsinnigem Verstand beschlagene Detektiv Sherlock Holmes einen intellektuell ebenbürtigen Verbrecher zu jagen suchte, den als „Napeoleon der Verbrecher“ bezeichneten Professor James Moriarty.
Doyle selbst fand an der populären Krimiserie aber immer weniger Gefallen, wollte sich mehr historischen Romanen widmen und versuchte, die fiktiven Kriminalerzählungen zum Ende zu führen. Obwohl er von den Verlagen horrende Honorare forderte, wollten diese an den Geschichten festhalten, zu groß war die Resonanz bei den Lesern.
Auf einer Kur im schweizerischen Meiringen kam ihm schließlich der Gedanke, wie er beide Romanhelden auf Augenhöhe in den Tod stürzen lassen könnte, indem Holmes zwar Moriarty überführen konnte, aber für die Festnahme im Ringkampf an den Reichenbachfällen (meist aber Einzahl: Reichenbachfall) beide gleichzeitig ihr Leben verloren. Auf den 1893 besiegelten Tod Sherlock Holmes‘ trauerten Holmes-Fans auf den Straßen von London.
Als Doyle von einer aufregenden Legende erfuhr und sein Verlag eine hohe Summe für eine Fortsetzung in Aussicht stellte, revidierte Doyle die Todesszene an den Reichenbachfällen und ließ Holmes 1901 quasi wiederauferstehen. Die Roman- und Serienfigur in Zeitungen und Magazinen lebte so noch über 25 Jahre weiter. Sherlock Holmes ist bis heute die wohl bedeutendste Detektivfigur in der Literaturgeschichte geblieben.
Für die Aareschlucht gibt es zwei Zugänge und ich möchte die Tagesrestzeit noch nutzen, den Zwischenhügel der Schluchtumfahrung zu bewältigen und dann die Schlucht von der Ostseite am nächsten Morgen zu besuchen. Zwar gibt es dort recht unmittelbar einen Camping, aber kein Gasthaus und Ort, sodass ich den Camping Grund direkt bei Innertkirchen vorziehe, zuvor noch Rösti mit Spiegelei im Gasthof Hof und Post verspeise – mit Bier für 31,50 SFR sicherlich überteuert, vor allem bei nicht unbedingt höchster Qualität und hausbackenem Ambiente.
(Mo, 5.7.) Innertkirchen – Eingang Aareschlucht Ost – Innertkirchen – Guttannen – Räterichsbodensee – Grimselpass (2164 m) – Oberaarsee (2385 m, Straßenhochpunkt oberhalb Berghotel) – Grimselpass [– Gletsch – Oberwald]
In Jahrmillionen Jahren ausgeschlifffen: Faszination Aare-Schlucht
Der Osteingang zur Aareschlucht liegt schon etwas oberhalb des Tals an einer Kurve der Schluchtumfahrung. Der Gang durch engen Fels über Holzbohlenstege und Tunnels ist eintrittspflichtig (10 SFR) und daher auch an Öffnungszeiten gekoppelt. Die Schlucht entstand in weichen Kalkfelsen, die von kleinen Eisteilchen und harten Steinchen wie dem Grimselgranit in einem Geschiebe aus Wasser und Sedimenten ausgeschliffen wurden. Dafür brauchte es 150 000 Jahre – sage noch jemand, unsere menschlichen Baugruben wie ein Stuttgarter Maulwurfsbahnhof würden zu lange gebaut. Der Schlamper ist die Natur selbst. Dafür ist das Ergebnis von bizarrer Schönheit. Zu den Besonderheiten gehören:
- Gletschermühlen, welche durch rotierendes, abschleifendes Schmelzwasser zu tiefreichenden Tröge rundgeschliffen sind
- der Schräybach – ein Wasserfall, der durch sein säurehaltiges Wasser die Kalkschichten chemisch erodiert hat und direkt in die Schlucht stürzt
- Kavernen für Soldaten, die im Rahmen des Zweiten Weltkriegs in den Fels gehauen wurden und über eine bessere Infrastruktur verfügten als damalige einfache Häuser hatten