Selbstproträt mit Obelix-Skulptur, Reiserad im Vordergrund, Saint-Étienne-Vallée-Française
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AOC-2023-0
Rhône-Alpes – Occitanie – Catalunya – Provence

Sommer und sècheresse, der lange Schatten des Klimawandels

Trotz Trockensommer gabs hin und wieder auch hinderliche Regentage

Kaum eine Tour war so sonnen- und sommerreich wie diese, betrachte ich mal den gesamten Zeitraum, der über die beiden Sommermonate ja auch noch weit in die Herbstmonate reichte. Es gab natürlich auch ein paar Wettereinbrüche, etwa Ende August, teils instabil bis ca. Mitte September und wohl eher in den Bergen als an der Küste. Auch am Anfang der Reise Anfang Juli gab es manchmal trübe Halbtage, meist setzte sich aber Sommersonne dann zur zweiten Tageshälfte durch. Sicherlich war auch meine Routenwahl südlicher und mediterraner als in den Vorjahren, sodass ich von Schlechtwetterfronten im mittleren Europa unberührt blieb (deutscher Regensommer, Unwetter in Slowenien usw.). Ferner blieb ich eher fern der Hochalpen in sog. Voralpenregionen, die im Westen und Süden zwangsläufig stabil sommerwärmer und mediterraner sind.

Wasserreiche Täler bleiben von der klimatischen Trockenheit noch verschont wie z.B. das Vall Fosca in den Pyrenäen

Wie im letzten Jahr gab es sichtbare Maßnahmen gegen die sècheresse, wie der französische Begriff die Dürreproblematik mittlerweile auch in andere Sprachen Eingang gefunden hat. Es mag aus deutscher Sommerperspektive da ein wenig überraschen, aber der Sommer war in dieser Dichte schlicht zu trocken. Es kam mir als Radler natürlich gut zu pass, doch übermannte mich durchaus das ungute Gefühl über die Trockenheit. Das betraf nicht nur ausgetrocknete Brunnen oder Flussläufe, bedenklich niedrige Pegel von Stauseen, sondern auch die extrem trockenen Staubböden oder verstoppelten Grasreste, wo ich mein Zelt aufstellen musste. Ungeachtet dessen gibt es Feuchttäler in den Alpen, im Zentralmassiv und Pyrenäen, in denen Trockenheit auf absehbare Zeit nie ein Thema sein wird – so etwa das extrem wasserreiche Vall Fosca. Der Quell- und Wasserreichtum ist ein wichtiger Schatz, aber trockene Böden in unmittelbarer Nähe verdeutlichen das Trockenheitsproblem auf lange Sicht.

Neue Wasserverteiler für die Weinbauern in den Corbières – aber kein Wasser

Besonders in den Pyrenäen waren zudem die Grundwasserspiegel und Stauseen bereits im Winter auf Rekordniveau gesunken. Im Corbières, so erzählte mir Freund Rainer aus Corneilla-la-Rivière, litten selbst die trockengewohnten Weinbauern dieses mediterranen Kalkmassivs an Wassermangel. Die neu gebauten Wasserverteiler brachten kaum Abhilfe, da zu wenig Wasser vorhanden war, um diese zu füttern. Sprinklerverbote führen zu einem politischen Machtkampf der wasserverbrauchenden Branchen und der bürgerlichen Trinkwasserversorgung. In der Welt von Morgen des fortschreitenden Klimawandels stehen uns noch manche Kämpfe bevor, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt höchst bedenklich gefährden können.

Umso mehr schüttelt es mich, wenn ich die Autodominanz des Alltagslebens in Frankreich und Spanien betrachte, diese irre Masse an Flächenversiegelung – wenn nicht durch Asphalt, dann durch Schotterparkplätze. Auch in den Orten muss man sich oft ärgern, Fotomotive nicht ohne störendes Beiwerk von aufdringlichen Autokarossen zu schießen. Kleine Städtchen wie St-Gilles in der Camargue bersten zu den guten Tageszeiten mit einem Karossenauflauf, den man eher in einer Großstadt erwarten würde. Das überqueren von innerörtlichen Fahrbahnen wird zur Herausforderung. Der Raum, den sich die Autos bzw. Autofahrerinnen und Autofahrer wie selbstverständlich nehmen, ist schon beängstigend. Es gilt als selbstverständlich, dass bis in letzte Schmalgassen der Fußgänger und Radler zur Seite springt, wenn das Auto kommt, selbst wenn die fetten SUV-Karossen kaum noch um die Kurven historischer Gassen kommen. Dabei soll man noch ein freundliches Gesicht machen und grüßen. Ich muss gestehen, dass ich manchmal kurz vor einem Wutausbruch war.

Schmale Altstadtgassen, an fetten SUVs kommen oft die Fußgänger nicht vorbei – die Anwohner sind selbst Täter und Opfer zugleich

Die Verkehrsberuhigung in manchen Städten wirkt mittlerweile mehr als Placebo, wenn man die Gesamtsituation betrachtet – vor allem, weil sich nichts fortentwickelt, was schon vor 10 oder 20 Jahren erdacht wurde. Da mich schon im letzten Jahr der Anteil an Autos in letzten Bergsackgassen verärgert hat, jede Gîte mit mindestens drei Autos bestückt wird und heuer keine Besserung zu erkennen ist, muss ich die Franzosen und Spanier auch direkt ansprechen – alle anderen dürfen mitlesen: macht nicht so weiter! Kein Wasser aus Brunnen und weiter automanisches Verhalten beißen sich. Es geht um Ursachen und Widersprüche. Da muss sich was ändern, nicht nur als Floskel und ohne persönliches Umdenken!

Französische und spanische Radwege auf dem Vormarsch?

Die manchmal von deutschen Reiseradlern gelobten französischen Radwege sind gleichwohl Placebo weniger Prestigeprojekte. Tatsächlich spielt das Rad weder in der Verkehrsinfrastruktur noch im Alltagsleben in Frankreich eine signifikante Rolle – von einigen Großstädten abgesehen. Gerade Paris machte dabei von sich reden, doch ist das nicht Frankreich im Ganzen und schon gar nicht Frankreich auf dem Lande.

Selbst die zuweilen radtouristisch hervorgehobenen nationalen und internationalen Prestigeprojekte wie Via Rhona, Velodyssée und andere, oft auch nur im Zusammenhang mit Eurovelos weiterentwickelt (und entsprechend europäischen Finanztöpfen), stellen letztlich nicht mehr als eine Randerscheinung dar. Leider gibt es auch Kindergartenparcours wie in Deutschland: Velos, ggf. noch E-Bikes, werden an Startorte von voies vertes mit dem Auto gekarrt und dann als Familienausflug auf ein paar Kilometern abgefeiert. An einigen Orten gibt es beworbene voies vertes, die tatsächlich nur wenige hundert Meter oder Kilometer lang sind. Selbiges ist auch in Spanien zu finden.

Diesen Kokolores kann ich gar nicht gutheißen und führt leider zum Gegenteil, was eine nachhaltige Verkehrsinfrastruktur ausmacht. Wenn man den Radwegtourismus als Radkosmetik bewertet, dann hat sich auch in Frankreich etwas verbessert und geht in langsamen Schritten voran. Allerdings: Lobeshymnen von deutschen Radlern auf französische Radwege im Gegensatz zu einem radtouristisch unterentwickelten Deutschland sind vollkommen unangemessen und sachlich schlicht falsch. Immerhin gibt es einige sekundäre Vorteile der grünen Wege durch eine anliegende Infrastruktur. So sind Toiletten, Wasserstellen, Picknickplätze und manchmal auch eine überdachte Schlafgelegenheit keine Fremdwörter.

Eine erfreuliche Radroute auf kaum befahrener Lokalstraße führt über den Karstsee Montcortes

Den erfahrenen Reiseradler genügt das Straßennetz in Frankreich ohnehin. Besser als die vielen ruhigen Straßen und Sträßchen auf dem Lande können es auch Radwege nicht richten. Radreisen ist in diesem Land immer noch ein Genuss bei gut planbar niedrigem Verkehrsaufkommen bis schon fast erschreckender Einsamkeit. Diese so verträumte Ländlichkeit muss man doch häufig mit sehr dünner Infrastruktur bezahlen. Zwei Tage ohne Versorgungsmöglichkeit ist sowohl zur französischen wie zur spanischen Seite durchaus häufiger zu erleben. Eher noch kann man in ein Restaurant einkehren in diesen Landstrichen, als dass man einen ausreichend bestückten Einkaufsladen findet. Die Situation ist gewiss in Spanien noch angespannter, die Autoabhängigkeit von ländlicher Bevölkerung noch größer und allzu selbstverständlich.

Der nunmehr komplett asphaltierte Coll d’Arnat ermöglicht einen spektulären Übergang durch die Montsec de Tost in die Serra del Cadí

In meinem spanischen Teil der Reise spielten indes offizielle Radrouten oder gar Radwege eine noch geringere Rolle, obwohl Katalonien über recht viele vias verdes verfügt. Erfreulich ist hier, dass neben den bereits etablierten vias verdes auch fortschreitend einige ruhige Straßen als Radrouten ausgewiesen sind. Die Beschilderung ist dann allerdings nicht immer gelungen, an manchen Verzweigungen fehlt die Richtungsangabe der Radroute. Ein solch doch erfreuliches Beispiel zeigt etwa der Übergang vom Vall Fosca zum Vall Noguera Pallaresa über Montcortes. Eher den Radsportlern gewidmet ist der vollständige Ausbau des Coll d’Arnat, der das Segre-Tal von Westen mit der Serra del Cadí verbindet. Das letzte Teilstück, bereits als Piste gut radelbar gewesen, wurde erst in jüngster Zeit asphaltiert und dürfte noch kaum bekannt sein. Ein weiteres Beispiel – auch eher wiederum für Rennradler und MTBer gedacht, bildet die Betonpiste zwischen Colònia Estabanell und Ogassa in der Serra Cavallera.

Eine andere Form zunehmenden Radtourismus bezieht sich weitgehend auf Mountainbikerouten. Die Ausschilderung als Radroute ist dabei nicht immer verlässlich, da die Wegequalitäten stark differieren können. Die Richtungshinweise sind auch hier zuweilen lückenhaft. Es empfiehlt sich zuvor das Wegesystem auf oft vorhandenen Infotafeln an Basispunkten zu studieren, bevor man losfährt. Dabei sind viele Pisten selbst dann schlecht ausgeschildert, wenn sie von zahlreichen Bergbauern und anderen Einheimischen als Verbindungsachse genutzt werden. Die kenne natürlich ihre Wege auswendig. Es gibt auch gelegentlich Flussfurten, die bei höherem Wasserstand der Bergbäche schon unpassierbar sein können und dann zwingend eine weite, ggf. ungünstigere Umfahrung erfordern.

Heftige Piste von Os de Civis zum Collada de Conflent

Einer meiner herausforderndsten Pistenprojekte war der Übergang von Os de Civis ins Vall de Cardós, welcher eine rustikale Verbindung zwischen Spanien und Andorra ermöglicht. Gewiss hatte ich dabei auch einen falschen Weg eingeschlagen, der nur für Wanderer gedacht war. Typisch für viele Pistenprojekte sind immer wieder sehr unterschiedliche Untergründe. So konnte ich die glatte Piste von Llessui zum Coll de Triador bzw. Mirador Campolongo fast hinaufliegen, während die Abfahrt hinunter nach Espui zu einer kaum endenden Tortur wurde, und die Geschwindigkeit sich kaum von der Auffahrt unterschied – das alles noch bei drohender Regenfront. Die Pista de Lles de Cerdanya a les Pollineres in der Cerdagne bietet einen technisch freundlichen Parcours, den man als Rundkurs aus dem Segre-Tal befahren kann, und die Hauptanstiegspassagen auf Asphalt liegen. Zweigt man aber zum Refugi Estanys de la Pera ab, um zwei schöne Bergseen zu besuchen, konnte ich im oberen Teil zur Berghütte kaum noch das Velo fortbewegen und musste zermürbend schieben. Erstaunlich ist zu sehen, wie die Bergbauern und Hüttenbetreiber ihre Autos in Eselgeduld 20 km/h über die langen Schotterwege rumpeln lassen.

Rad – und Wanderweg, behindertengerecht ausgebaut: Camí Bordes de les Pardines

Andorra querte ich bereits zum dritten Mal. Die Radinfrastruktur ist dem spanischen Nachbarland überlegen, Wasserstellen sind auch mit Blick auf Radler vielfach angelegt, Picknickplätze gibt es schon wegen der vielen Wanderer. Mitten in einsamer Bergwelt findet man schon mal eine Radservicestation an einer Straßenkreuzung. Große Fortschritte haben die Radwege allerdings gegenüber meiner letzten Beradlung vor 12 Jahren nicht mehr gemacht. Radwege gibt es dort, wo noch Platz neben der Straße ist, sonst muss man sich neben den Autokolonnen auf der Hauptachse klein machen. Einige als Radroute gekennzeichnete Wege sind zugleich Fußwege und beschränken sich auf untere Talsohlenbereiche und Teilabschnitte. So ist es offenbar bisher nicht gelungen, einen durchgehenden Weg zwischen Ordino und La Massana auszubauen, obwohl es nur wenige Kilometer sind – von einer fahrradfreundlichen Anbindung zwischen La Massana und der Hauptstadt ganz zu schweigen. Eine besondere Ausnahme bildet der einfach zu radelnde Höhenradweg Camí Bordes de les Pardines auf sehr glatter Piste beim Stausee Engolasters, der auch von Familien gerne genutzt wird und ggf. die Räder mit Auto angefahren werden, weil die Zufahrten für Familienradler zu steil sind.

Wiedersehen am Coll de Beixalís mit neuer Radskulptur

Im Gegensatz zur Alltagsradkultur bietet Andorra eine besonders hohe Affinität zum Radsport und wird entsprechend touristisch vermarktet. Nicht zuletzt hat auch die Tour de France hier häufiger Station gemacht. Zwangsläufig sind in dem fast abgeschlossenen Bergland harte Anstiege der Normalfall und werden alle von Steigungstafeln und würdigen Passschildern begleitet, meistens noch ergänzt durch eine Radlerskulptur. So wurde mittlerweile der Col de Beixalís nochmal aufgewertet, nachdem er 2015 vollständig asphaltiert wurde. Ich fuhr den Pass diesmal nochmals, allerdings nunmehr auf der 2011 noch teilweise geschotterten Ostauffahrt hinauf – ein wahrer Wadenbeißer im Vergleich zur Gegenseite. Wie der Beixalís-Pass wurde im Jahre 2014 auch der Coll de la Gallina mit Blick auf den Radsport asphaltiert – dort wartete die Südrampe lange auf einen Ausbau. Eigentlich könnte man dem Pass einen reinrassigen Radwegstatus verleihen wie dem Col de la Loze in den Savoyer Alpen – ohne dass es den Autofahrern auffallen würde.

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