AOC-2023-0Rhône-Alpes – Occitanie – Catalunya – Provence
Essen unterwegs – Aspekte der Selbstversorgung
Ohne bereits Bekanntes aus den Vorjahren zu wiederholen, hier nur wenige Anmerkungen. Entgegen meiner Vorjahresroute war diese Tour etwas käseärmer. In provenzalischen Regionen gibt es zwar auch ausreichend Käseproduktion, aber nicht ganz auf dem Level der nördlichen Westalpen und dem Jura. Auch im südlichen Zentralmassiv scheint die Käsekultur etwas weniger ausgeprägt als in der Auvergne und anderen nördlichen Teilen. Einige Hochburgen des Käses gibt es dennoch, darunter der weltbekannte Roquefort. Das gleichnamige, fast in die Bergflanke getriebene Dorf in den Grands Causses besteht nahezu ausschließlich aus Käseproduzenten mit riesigen Felskellern zur Reifung und Verkaufsshops. Der recht grobporige Blauschimmelkäse eignet sich aber nur wenig als Proviant, zu sensibel reagiert er auf höhere Temperaturen mit Flüssigkeitsverlust und entsprechender Schweinerei. Es gibt letztlich besser haltbare Blauschimmelkäse, wie z.B. der hier auch abgebildete Rissoan Cabri bleu aus dem Lozère.
Nochmal mehr als in den Vorjahren setze ich auf Eigenversorgung – allerdings ohne kochen. Entsprechend üppige Zuladung an Proviant hatte ich so zu managen – sowohl in puncto Versorgungsmöglichkeiten ein Problem auf den zahlreichen, sehr entlegenen Routen, als auch in puncto Volumen und Gewicht. Bei den Einkaufsquellen fällt auf, dass die deutschen Discounter Aldi und besonders Lidl in beiden Ländern stark auf dem Vormarsch sind und mittlerweile auch recht populär. Ferner sind die französischen und spanischen Ableger stärker mit landestypischen und regionalen Produkten ausgestattet als die deutschen Läden. Das Preisniveau ist gleichermaßen angepasst und daher manche Produkte teurer als in Deutschland, einige wenige auch günstiger. In den ländlichen wie bergigen Regionen sind die Discounter aber nur in wenigen größeren Orten zu finden.
Wie schon im Vorjahr deutlich beobachtet, liegen die Landpreise weit über den Stadtpreisen (kleine vs. große Supermärkte). In Frankreich ist dabei die Preisspanne größer als in Spanien. Andererseits ist die Versorgungsdichte in Frankreich doch noch deutlich höher als in Spanien. Auch ein örtlicher Bäcker – in Frankreich leider immer mehr rückläufig – fehlt in Spanien nahezu gänzlich, wenn sonst keine Einkaufsstruktur vorhanden ist. Zuweilen gibt es touristische vermarktete Regionalprodukte in einigen Bergorten zu kaufen (z.B. teurer Iberico-Schinken, Weine, Spirituosen), aber kein Brot. Ab und an gelang es mir dann von Hotels das Brot zu erbetteln, verbunden mit manch netter Fürsorge. Ansonsten muss man in Berggasthöfe einkehren, was noch eher möglich ist als Selbstversorgung.
Zu den mediterranen Spezialitäten gehören natürlich in verschiedenen Regionen Oliven und Olivenöl. Die wichtigste Anbauregion sind dabei die Baronnies, allem voran die speziellen Nyons-Oliven, die tatsächlich einzigartig schmecken, aber auch in natura wie als Öl sündhaft teuer sind. Auch Walnüsse sind weit mehr verbreitet als nur in der Region Grenoble und sorgt für Nussöl als Alternative. Aprikosen gibt es vor allem in einem abgrenzbaren Pays d’Abricot in den westlichen Baronnies. Frankreich und Spanien mögen nicht als Apfelländer gelten, doch sind Apfelplantagen insbesondere in Frankreich keine Seltenheit. In der spanischen Küstenebene zur Costa Brava hin präsentiert sich das Fischerdorf Sant Pere Pescador in jüngerer Zeit als Apfelhochburg. Hier wie auch in der Camargue gibt es ferner Reisfelder mit allerdings eher kleinen Erträgen. In den Cevennen wird eine besondere, süßliche und aromatische Zwiebel unter der AOC-geschützten Bezeichnung „Ognon doux des Cévenne“ in Terrassen mit Trockensteinmauern angebaut wie man z.B. in Taleyrac, einer Hochburg dieser Zwiebelproduktion.
Getränkegenuss im Weinland
Neu führte ich mein persönliches Weindepot ein: Ich hatte doch einige Male Angst um genügend Wasservorrat mit meinen zwei Wasserflaschen. Andererseits störte mich zunehmend, dass ich für einen abendlichen Wein auf nicht immer vorhandene 0,375-l-Flaschen angewiesen war, zumal ich ja auch schon manchmal morgens oder am Vortag nachdenken muss, was es abends bei mir zu essen und zu trinken geben soll. Bier geht ja nur, wenn es kurz vor Etappenende und kühl gekauft werden kann. Im französischen Céret entschloss ich mich daher, eine dritte Wasserflasche (und Halter) an den Rahmen zu legen. Da die Wasserflasche eine ganz Weinflasche auffängt (0,75 l), kann ich so quasi auch gewichtsreduziert (ohne Flasche) und volumenneutral Wein für zwei Abende mitführen. Als zusätzliches Wasserdepot habe ich diese dritte Flasche nur einmal eingesetzt, obwohl Wasser schon einige mal öfter knapp wurde.
Über den Weingenuss aus dem Supermarkt oder im Restaurant hinaus kam ich doch nur zu einer Weinprobe in Suze-la-Rousse in den Côtes du Rhône. Das dortige Schloss ist sogar Sitz einer Weinuniversität, die über drei Standorte verfügt – neben Suze auch in Avignon und Lyon. Côtes du Rhone ist gleichzeitig Wein- wie Regionsbezeichnung. Der Côtes du Rhône erhält diese Allgemeinbezeichnung, soweit er nicht eine speziellere Bezeichnung greift. So ist etwa ein AOC Côtes du Rhône Villages höherwertiger, trägt er zusätzlich den Namen des Herkunftsortes im Namen, ist er noch hochwertiger. Weine aus Suze dürfen solches Siegel tragen. Nicht immer tragen aber die Weine den Namen „Côtes du Rhône“ im Siegel. So verkauft sich der AOC Coteaux du Tricastin auch unter dieser Regionsbezeichnung des Tricastins. In Anlehnung der Côtes-du-Rhône-Staffelung gibt es hier auch örtliche Spezifikationen für noch höherwertige Weine wie AOC Grignan-les-Adhémar, der dann gleichzeitig ein Tricastin ist und gleichzeitig auch ein Côtes du Rhône.
Der exklusivste Wein in den Côtes du Rhône ist der Châteauneuf-du-Pape, gleichen Namens wie Ort und Gemeinde. Der Name des Ortes leitet sich vom Schloss und seiner ehemaligen Funktion als Sommerresidenz der Päpste von Avignon ab. Trotz des kleinen Weingebietes stehen dem Châteauneuf-du-Pape 13, mit Unterarten 22 verschiedene Rebsorten zur Auswahl, die man auf einem Weinlehrpfad mit informativen Tafeln um die Ruine des ehemals päpstlichen Châteaus erkunden kann – also ein Open-Air-Museum und gratuis.
Eine weitere besondere Weinregion ist Banyuls an der Côte Vermeille. Der Wein ist eher ein Zwischenprodukt zwischen Wein und Likör und daher selten Thema in der Weingemeinde, weil doch sehr speziell. Selbst am Sonntag kann man ausreichend Domaineverkäufe bis in die Orte finden. An einigen exponierten Aussichtspunkten gibt es zudem Verkaufsstände, die ich bereits aus Touren in der Vergangenheit kannte. Am Cap de Cederis erstand ich einen der Normalweine von Banyuls. Andere Weine wären mir auch zu teuer gewesen (nahezu alles über 10 € pro Flasche), der etwas schlichte, erdige wie trocken neutrale Tritivium vom Verkaufsstand der Domaine Tambour ist dann auch weniger spezifisch Banyuls.
Den Trend zu Regionalbieren in Frankreich konnte ich auch auf dieser Tour beobachten., Die Schwerpunkte liegen aber eher in den nördlichen Alpenteilen und dem Zentralmassiv, diesmal nur in der Chartreuse und den Cevennen/Grands Causses gefunden. Die teuren Preise erklären sich nicht zuletzt durch die kleinen Brauereien, die sich zuweilen in exotischen Orten in den Bergen befinden. Die Preise sind also weniger Qualitätssiegel als Ausdruck kaum lebensfähiger Manufakturen. Die Biere waren immer sehr schmackhaft, auch wenn sie entgegen dem deutschen Reinheitsgebot aromatisiert sind. Der Clou in diesem Jahr war das Kirschbier, dass ich im Kirschmuseum von Paulhe (Grands Causses, Nähe Millau) erwerben konnte – nicht das einzige Kirschprodukt von superben Geschmackserlebnis. Der Museumsbesuch ist dabei gratis und informiert umfassend über Kirschsorten, Anbau, Vermarktung und kulturelle Bedeutung auch über die Grenzen hinaus wie etwa in Japan.
Süße Verführungen
Mit Wein und Kirschprodukten sind wir bereits nahe den süßen Verführungen, deren Schokoladenseite ich diesmal fast ganz ausschlug (außer Schokoladen aus dem Supermarkt). Zu exklusiv sind doch die Preise für immer wieder besonderen Leckereien aus den Kakaobohnen. Manche Pralinenauslage ist aber schon optisch ein Genuss. Ähnliches gilt auch das französische Nougat, da ich doch durch die Nougatmetropole Montélimar gleich zweimal fuhr. Die mit unterschiedlichsten Trockenfrüchten und Aromen variierte Honig-Mandelmasse ziert als Skulpturen zugleich die Einfahrtsstraßen in die Stadt, die ebenfalls populären Calisson (eigentlich originär aus Aix-en-Provence) noch dazu.
Auch die Aromatisierung von Keksen ist eine hohe Kunst in Frankreich. In Geschäften von La Cure Gourmande, einer der Marktführer in Sachen Süßwaren in Frankreich, bekommt man sehr schmackhafte Auswahl an Keksen, Schokolade, Nougat und anderen Süßwaren. Während La Cure Gourmande noch eine recht junge Geschichte seit 1989 mit heute vielen Filialen pflegt, traf ich in Joyeuse in der mittleren Ardèche-Region auf einen kleinen Laden namens Maison Charaix, der die Makronentradition des Ortes aus dem Jahre 1581 weiterpflegt. Die Rezeptentwicklung der Makronen (macarons) wurde geheimnisvoll vom Adel vorangetrieben, so sich dazu einst der Seigneur von Joyeuse mit den Medici in der Toskana austauschte. Indessen gehen die Makronen ursprünglich wohl auf die Mauren im mittelalterlichen Spanien zurück.
Nicht weit von Joyeuse ist es bis Ruoms an der Ardèche, geprägt vom starken Tourismus um die Pont d’Arc, die ebenfalls nicht weit entfernt liegt. Hier findet sich ein Laden von Les Châtaignettes, einem Biskuitproduzenten aus Vallon Pont d’Arc, der ausschließlich Kastanien verarbeitet und auch mit verschiedensten Kreationen von Maronencrèmes den Gaumen erfreuen kann. Ein Hochgenuss der für die Monts d’Ardèche so typischen Kastanien.
Von der Makrone zur Mandel zurück, heißt es in St-Paul-de-Fenouillet. Die Croquants de Saint-Paul sind knackige Kekse, die dort gerne zu Wein gereicht werden. Ich würde sie sogar zu den besten Keksen der Welt zählen mit dieser ausgewogenen Balance aus Aromen und doch ein herrliches Knuspergefühl im Mund, zudem sehr gut provianttauglich, da sie sehr krümmelresistent sind. Schon auf der Anfahrt durch die Gorges de Galamus fieberte ich diesen Keksen entgegen, hatte ich sie doch vor fast 20 schon mal gekostet.
Eine weitere katalanische Lokalspezialität, nun aber zur spanischen Seite, sind die Riesencroissants aus Castellar N’Hug. Diese Touristenattraktion wird in zwei Läden an der zentralen Plaza verkauft, die aber keine reinen Bäckereien sind, sondern ein ganzes Arsenal an lokalen Spezialitäten von Käse, Würsten, Likören bis hin zu Souvenirs anbieten.