AOC-2023-0Rhône-Alpes – Occitanie – Catalunya – Provence
Shoppingmeile Andorra – der Bluff mit der Steuervergünstigung
Unerwartet kurz sind auch die Ladenöffnungszeiten in Andorra, die sich eher an Frankreich als an Spanien orientieren. Das ist angesichts dieser internationalen Megashopping-Hochburg doch verblüffend. Ein weiteres Manko sind einseitige Ladenkolonnen mit durchgehend gleichem Warensortiment. So gibt es eine Straße am Rande der Hauptstadt La Vella, an der sich über zehn Läden für Motorradzubehör aneinanderreihen. Innerhalb der Einkaufsmeilen dominieren dann die allbekannten Modelabels und Parfummarken. Auch die Tankstellen haben fast alle eine Supermarktecke, verkaufen jedoch überwiegend Spirituosen, Wein und Tabakprodukte. Indes ist es ein Klischee, in Andorra große Schnäppchen machen zu können. Die Steuervergünstigungen – soweit es sie überhaupt noch gibt – werden allein schon durch die durchweg teurere Produktpalette aufgefressen.
In Andorra gibt es nahezu nichts wirklich billiger – vielleicht mal vom Benzin ausgenommen. Selbst einen einfachen Wein bekommt man in Spanien oder Frankreich eindeutig günstiger. Ein mir von der letzten Beradlung noch bekannter exklusiver, neuer, großer Käseladen in Sant Julià de Lòria hat mittlerweile schon wieder geschlossen. Bodenständige Qualität setzt sich hier nicht durch, weil der Andorra-Tourismus zu sehr auf Abenteuerklimbim und Luxuskonsum setzt. Mehr geerdete Landeskultur findet sich aber doch immer wieder in den Nebentälern. Bei der Auffahrt zum Coll de Gallina sah ich eine kleine männliche Bauerngruppe an einem Haus jubilieren, weil der Bewohner seinen soeben frisch produzierten Iberico-Schinken präsentierte. Andorra wäre nicht so überraschend entdeckungswürdig, gäbe es nicht diese schon manchmal seltsamen Widersprüche entrückter Bergidylle und gehyptem Lifestyle. Andorra nur auf der einzigen asphaltierten Durchgangsachse zu durchrasen, wie es leider viele Radreisende tun, ist schlicht Frevel.
Ein bisschen ähnliche, und doch etwas andere Konsumentwicklungen kann man in der nordspanischen Grenzregion mit Col de Perthus, La Jonquera, Empuriabrava und Roses beobachten, wo Asiashops mit Ramschware oder überflüssigen Konsumartikeln die Geschäftsavenuen fluten, obwohl es teils direkt anbei Luxustouristen gibt. Da entstehen Konsumtempel, die im krassen Kontrast zur eigentlichen Konsumklientel stehen – eine gefährliche Blase, bei der mehrere Verliererseiten zu befürchten sind. Es war mir nicht möglich, in Empuriabrava und Roses eine halbwegs ordentliche, sportliche Sonnenbrille zu erwerben – nicht einmal für viel Geld. Das ist für zwei solch große Strandorte, wo man selbst Yachten kaufen kann, schon ein Armutszeugnis.
Gastronomische Einkehr
Was für den Shoppingmeile Andorra gilt, scheint sich dort auch auf die Gastronomie zu übertragen. In der Universitätsstadt Sant Julià de Lòria gibt es haufenweise Restaurants, im September hatten gleichwohl fast alle geschlossen. Die meisten Touristen sind bereits weg, die Studenten noch nicht da. Gleichzeitig rollt eine unglaubliche Autowelle durch Land und Stadt, um sich vermeintliche Shopping-Schnäppchen zu tätigen. Die landen aber alle in und unmittelbar um die Hauptstadt. Eine Fastfood-Asiarestaurant schloss die Küche bereits um 20 Uhr, eine Pizzeria verlangte Reservation, obwohl der halbe Laden leer stand.
Nicht nur dort hat ich den Eindruck, das Andorra daran leidet, dass zuviel Geld da ist und sich manche Arbeit nicht mehr lohnt (ähnliche Beobachtungen kann man in allen Hochlohnländern beobachten wie in der Schweiz, zunehmend auch in Deutschland). Polizisten stehen zahlreich überall rum, um Radlern auf nicht befahrenen Einbahnstraßen die Weiterfahrt zu verwehren, Rancher schließen abends Toiletten auf Picknickplätzen ab, obwohl das junge Leute nicht daran hindert, mitten nachts eine Partyrunde abzuhalten, vollautomatische Sprinkleranlagen sorgen für saubere und begrünte Bushaltestellen, auch wenn die klimatische Trockenheit nicht an Andorras grenzen endet.
Am neuen Bike Parc von Naturland 2000 – eher bekannt durch eine Sommerradelbahn und als Wintersportzentrum – sorgte der Gartenimbiss für argen Verdruss, weil ein absolut inkompetentes, elektronisch unausgereiftes Restaurantmanagement für extreme Wartezeiten sorgte. Die Freude über die eigentlich schmackhaften Grillgerichte wird mir doch arg vergällt, wenn ich für die Rückgabe eines Pfandbechers fast eine halbe Stunde brauche, obwohl nur wenige Gäste da waren.
Ich bin im Laufe der Reise von anfänglichen Nichtkaffeefrühstücken zu mehr Kaffeeeinkehr gewandelt, ist doch dieses kleine Highlight auch ein Teil von Reiseglück. Meistens kann man auch Kaffee trinken und das eigene mitgebrachte Frühstück verspeisen. Manchmal war ich aber auch froh, meinen Proviant mit einem Angebot der Lokalität aufzustocken wie im Refugi de la Pleta del Prat bei Tavascan, nachdem ich vortags keinen Lebensmitteladen finden konnte und ziemlich kläglich im Starkregen den Tag unter einem Haustürdach beenden musste. In Spanien ist der Kaffee dabei nochmal günstiger als in Frankreich, wo nur noch der Espresso als preiswert zu bezeichnen ist. Andererseits ist im ländlichen Katalonien das Kaffeetrinken oft gar nicht mehr möglich, weil es an Bars fehlt. Dahingehend ist Frankreich noch besser aufgestellt, wenngleich die Wirtschaftskrisen der letzten Jahre auch Spuren in der dörfliche Infrastruktur hinterlassen haben.
Wie schon im Vorjahr bemerkt, sind in Frankreich Einganggerichte gegenüber Menüs im Vormarsch. Gerade Burger mit Pommes sind ein weiterhin moderner Kassenschlager geworden in fast aller Art von Restaurants. Auch ich habe davon häufiger Gebrauch gemacht. Ich wollte häufiger das Menü du jour, in Spanien Menú del día nutzen, um ein günstigeres warmes Essen statt abends mittags zu bekommen. Das konnte ich aber doch seltener umsetzen (zeitlich eng begrenzt), bzw. ersetzte ich dann doch durch eines der anderen Fixangebote wie z.B. Burger. In Les Estables war ich schon etwas spät, oder auch die Restaurants unerwartet früh zu oder generell geschlossen. In einer Auberge bekam ich noch das Menu du randonneur als letzte Option für Spätankömmlinge – essen, was es noch gibt. Obwohl merklich aufgewärmt und nicht frisch zubereitet, mundete das Gericht vorzüglich, zum Abschluss noch ein leckerer Kastanienkuchen.
Bei der Wiederkehr in die Cité von Carcassonne wollte ich unbedingt meine Geschmackserinnerung aufbessern, war mir immer noch das herrliche Cassoulet aus über 20 Jahren zuvor im Gaumen präsent. Abgesehen vom Massenauflauf der Menschen dort und eher weniger romantischer Mittagszeit, schmeckte das Cassoulet diesmal weniger aufregend. Man kann eben Erlebnismomente nicht beliebig wiederholen. Der Andrang auf die Stadt wirkt sich letztlich auf die Kochliebe aus – nur noch gestresstes Personal stellt auf lieblose Abfütterung von Massentouristen um. Erstaunlicherweise war das Cassoulet-Menü allerdings günstiger zu haben als manches Pizzaessen an anderen Orten. Masse schmälert zwar die Qualität, aber sie konkurriert auch die Preise nach unten.
Ebenfalls zur Mittagszeit probierte ich in Florac Tripoux, eine Spezialität, die auf den Hochebenen der Cevennen und den Causses gerne gegessen wird. Schafsmägen werden mit Innereien – meist vom Kalb – gefüllt. Die Hammelpanzen werden mehrere Stunden in Kalbsfond und Gemüsen gekocht. Es ist ein leichtes Gericht, weil fettarm, aber traf doch nicht ganz meinen Geschmack. Weitere gastronomische Lokalspezialitäten waren mir dann als überwiegend Selbstversorger dann doch eher nicht vergönnt.
Soweit ich in Spanien in der Gastronomie war, ging es noch mehr darum, überhaupt irgendwas zu bekommen, was angeboten wurde. Bei ausgezehrten Proviantboxen ist dann das Glück über ein Essen ohnehin unabhängig von besonderen Geschmackserlebnissen. Indes sind die Preise für manch einfaches Gerichte nicht unbedingt günstiger als ein eher vollwertigeres Essen in Frankreich. Gewiss, sind Speisen im Schnitt immer noch etwas günstiger, aber nicht überall und auch unabhängig von Örtlichkeiten. So fand ich mein improvisiertes Abendmahl im völlig entlegenen Tuixent (Sierra del Cadí) für übertrieben teuer. Ebenso war mein spanisches Tapas-Abschiedsessen in der Altstadt von Girona mindestens so teuer wie ein sehr gutes Komplettmenü in Frankreich, ohne gehobenes Niveau zu erreichen, wenngleich auch noch gut.