Engadinerhaus, Fesnter mit Geranien, graues Umradnnngsmuster, Bergün
Alpen,  Ostschweiz,  Regionen,  Schweiz

Das Engadinerhaus – mehr als eine kunstvolle Heimstatt

Facetten der Sgraffiti-Kunst in Orten des Engadins und einiger Nebentäler

Etwas abseits: Lenzerheide

Lenzerheide (Lai) ist eine alpine Ferienregion, die mehr eine Hochebene oberhalb des Albulatals bezeichnet, zur Nordseite von Chur aus erreichbar. Die Gemeindefraktion Obervaz (Vaz) umfasst dabei mehrere Orte, von denen Lenzerheide und Valbella bekannter sind als die Gemeindebezeichnung selbst.

Steinbockskulptur, weiß, weinfarben, blau/gelb, Lenz
Lenz

Der Einfluss der Architektur des Engadinerhauses wirkt hier aus dem Albulatal noch weit über den Pass, sogar in Chur finden wir noch Elemente dieser Architektur. Jedoch sind die Häuser selten noch markant bzw. verschmelzen sich bereits mit anderen Bauformen wie den Holzhäusern, die z. B. das anschließende Schanfigg Richtung Arosa prägen (hier das „Chesa Lai“ im Ortskern von Lenzerheide-Ort). Ein weiteres Beispiel aus Parpan von der Nordseite des Lenzerheidepasses zeigt Schraffuren auf einem sehr dunklen Putz, der schon an die dunklen Holzfarben erinnert.

Engadinerhaus, Chesa Lai, Lenzerheide, mit Holzfenstern
Lenzerheide-Ort

Dem auf allen Sgraffiti-Fassaden meist präsenten Steinbock sind gleich mehere, auch farbige Skulpturen gewidmet (hier: Ort Lenz), ist er doch das Wappentier Graubündens und im Besonderen auch von Lenzerheide selbst. Der Steinbock steht symbolisch für Mut und Kraft.

Engadinerhaus braun, Parpan
Parpan

Malerische Perlen im Albulatal

Zwar sind die Übergänge der Hauskulturen in allen Tälern fließend, doch nirgendwo öffnet sich so plötzlich ein solch fulminantes Museumstor für das Engadinerhaus wie in Filisur. Der einst gewichtige Transitort, heute als Schnittstelle für die Albulabahn ins Engadin, die Prättigaustrecke nach Davos und dank dem nahen Landwasserviadukt immer noch ein bahntouristisches Mekka in der Schweizer Welt der Gebirgsbahnen, öffnet die Geschichte des Engadinerhaus in einem gut dokumentierten Dorfrundgang. Zuvor finden sich nur spärliche Ansätze von Sgraffiti in Surava, Tiefencastel oder anderen Orten des unteren Albulatals.

Filisur

Engadinerhaus, weiß/grau/rot, mit Wappen und Sinnspruch, Filisur

„Wer hereinkommt sei willkommen, wer scheidet gehe mit Gott“ eröffnet der Spruch am Eingang des ersten historischen Hauses die Openair-Galerie. Alle Häuser tragen Namen, hier ist es „J.P. Schmidt“, ein ehemaliger Besitzer noch aus jüngerer Zeit (verstorben 1950). 1897 leitete er noch die Albulapost mit 180 Pferden, schon zwei Jahre später war sein Geschäftsmodell durch die Albulabahn hinfällig, schaffte aber den Umstieg auf den Holzhandel. Wie zufällig bedient gerade die Postbotin das Haus – heutzutage aber mit Auto unterwegs. Auch Wappen mit Jahreszahlen sind häufig. Es sind dies meist Familienwappen der Hausbesitzer, die durch das Baujahr des Hauses ergänzt wurden.

Engadinerhaus, weiß/grau/rot, mit Postbotin, Filisur

„Haus Cos“ erzählt von den einstigen unzertrennlichen Schwestern, die in dem ursprünglichen Doppelhaus sogar einen Durchgang offenließen, um sich immer nahe genug zu sein. Ein Satteldach überspannt beide Haushälften. Die fast neuzeitlich kitschig wirkenden, vergoldeten Schmiedebalkone sind tatsächlich barocken Ursprungs und wurden 2009 zu neuem Glanz renoviert.

Das „Chesa Jenatsch“ zeigt die Grundfarben des Sgraffitos recht puristisch: weiß und grau. Die Grundfarbe ist immer grau, die über Monate getrocknet sein muss, bevor weitere Farbschichten aufgetragen werden können, die dann je nach Motiv abgekratzt werden. Bei einfachen Mustern ist das eine weiße Schicht. Um farbige Motive darzustellen, braucht es mehrfache Schichten, die ihrerseits für die Bearbeitung feucht gehalten werden müssen, bis die Arbeiten abgeschlossen sind.

Engadinerhaus, grau/weiß, Filisur
Engadinerhaus, Lesebank, Bibliothek Filisur

Typisch und hier besonders treffend sind Bänke als Schau- und Kommunikationsplätze vor den Engadinerhäusern. Passend zur Schul- und Gemeindebibliothek wartet vor dem Chesa Jenatsch eine Lesebank. Dass eine solche Freiluftlesebank einmal zum modernen Bildungsort unter Pandemiebedingungen werden könnte, hatte aber wohl niemand vorhergesehen.

Das historisch vielleicht spannendste Gebäude stellt sich unter „Chesa Antupada“ vor. Mit deren vormaligen Bewohnern, den Geschwistern Anton und Babetta Lorenz schieden Anfang der 1980er die letzten Vertreter des Filisurer Romanischem aus dem Leben. Das Romanische als Schweizer Nationalsprache splittet sich seinerseits in die fünf Dialektgruppen Surmiran, Putèr, Vallader, Sursilvan und Sutsilvan, die ihrerseits wiederum in zahlreiche Dorfdialekte zerfallen, derer mittlerweile viele ausgestorben sind. Das Filisur-Rumantsch mixte folgerichtig seiner Transitlage wegen das Surmiran des Albulatals mit dem Putèr des Oberengadins.

Engadinerhaus, Fassade mit Kamel, Strauß, Steinbock, verzerrte Proportionen, Filisur
Engadinerhaus, Sule aus Holz, Teilöffnung, Filisur

Noch heute kann man die wirtschaftliche Funktion des Hauses als Sust (Lagerhaus) gut ablesen, diente das mächtige Tor (Sulé) als Einfahrt für Pferde und Wagen, da hier Säumer Güter umschlugen. Die Motive des Wandermalers, Schulmeisters und Chronisten Hans Ardüser sind noch aus dem Jahre 1595 erhalten, bzw. nach einer Renovation 1802 wiederentdeckt. Ardüser war ein Meister seines Fachs und verwendete neben religiösen Schriften und Chroniken auch Tierbücher als Vorlagen, zog aber fabelhafte Veränderungen den naturalistischen Abbildungen vor und veränderte die natürlichen Proportionen, sodass z. B. der Vogel Strauß die Hufen eines Pferdes erhielt. 2020 richtete das Davoser Heimatmuseum seinem gebürtigen Sohn ein Ardüserstübli ein, das eine umfassende Schau über Leben und Werk des Wandermalers erlaubt (vgl. Nachrichten Südostschweiz „Auf den Spuren eines Wandermalers“.

historisches Bild von Hans Ardüser mit Kratzhammer
Hans Ardüser, Darstellung auf der Autobiografie

Die Geschichte des „Chesa Cuminanza“ birgt mysteriöse Geheimnisse. So ist nicht gesichert, ob das Haus einst mal als Kloster für Mönche oder Nonnen diente. Als Zugang zur St. Martinskirche soll ein unterirdischer Gang existiert haben. Das konnte nie bewiesen werden, aber 1940 brach die Straße an der vermuteten Stelle ein, als man die Straße asphaltierte. Ein Brand im Jahre 2015 beschädigte das Haus auf einer Seite nachhaltig.

Engadinerhaus, weiß/grün, Filisur

Bergün

Wenn Filisur ein Freiluftwohnzimmer mit Galerie ist, dann ist Bergün das Freiluftmuseum – weitläufiger, mit mehr Nischen und Brunnenplätzen. Doch ist auch dieser Ort mit Bahnmuseum zur anliegenden Albulabahn kompakt und heimelig – nur mehr Geschäfte, Hotels, Restaurants und Besucher direkt im Ort. Unter den Engadinerhäusern finden wir recht Eimaliges an ungeraden Linien und Farbspielen, wobei der Blumenschmuck ein wichtiges ergänzendes Element bildet.

Engadinerhaus, Fesnterflucht mit Rosetten, grau/weiß/braun, Bergün

Hier deutlich herausgearbeitet die beliebten Rosetten als Schmuck um die tiefe Fensterflucht in Varianten. Die Halbrosetten beschirmen die Fenster meist von oben. Die Rosette ist eine Urform des Sonnenrades und symbolisiert Sonne, Fruchtbarkeit und schöpferische Kraft.

Versteckte Preziosen des Bergelltals im Westen

Stampa

Engadinerhaus, Tür mit Tempelmotivumrandung, Stampa

Hier sieht man gute Beispiele für fast römische Tempelmotive oder Renaissance-Fresken aus Italien, unterstützt von warmen mediterranen Farben. Die Engadiner Sgraffiti-Kunst wurde trotz ihrer sehr eigenen Charakteristik schließlich nicht in der Schweiz erfunden, sondern stammt aus dem Italien der Renaissance und des Barocks. Das Val Bregáglia wurde ebenso zum Einfallstor für die neuen Einflüsse aus dem Süden wie das Val Müstair.

Engadinerhaus, römische Motive, Stampa

Vicosoprano

Engadinerhaus, Motive Frau mit Waagschale, Landkarte Bergelltal, weiß/beige, Vicosoprano

Das Sgraffito als Landkarte, Navigation als Kunst und ohne Akku immer verfügbar. Auch hier begleitend römisch anmutende Motive.

Engadinerhaus, Doppelwelle, Steinbock, weiß/grau, Brunne im Vordergrund, Vicosoprano

Die Doppelwelle steht für das Leben, die Lebenslinie, das Werden und Vergehen.

Bondo

Engadinerhaus, Pension Sciora, grau/weiß, Holzfront oben, Bondo

Klassisches Sgraffiti ohne große Schnörkel, Aufstockung des Hauses mit Holz.

Südöstliche Randzone Val Müstair

Santa Maria Val Müstair

Nur spärlich kann ich Santa Maria als Hauptort des Val Müstair präsentieren. Meine Erlebnisse liegen hier schon in weiter Vergangenheit mit noch analoger Kamera und wenig Zeit für das Anschauen. Typische Elemente wie der Steinbock und gut geformter Runderker sind aber ebenso präsent wie hier auffällig kräftige Farben, während sonst im Sgraffito dezente Pastellfarben überwiegen.

Engadinerhaus, vor Bergkulisse, Posthorn, Lü

Das letzte Dorf weit oberhalb der Talsohle zum Ofenpass und unterhalb des Costainaspass wirkt wie am Ende der Welt. Es braucht nur zwei Buchstaben als Ortsname. Prunk ist hier nicht mehr zu erwarten, aber ein bisschen Zierde haben die wenigen Häuser dennoch – zumindest mit Posthorn.

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