SW-2024-1Notschrei im Feldberg-Sturm feat. Nightrider Kienbächle, mystischer Moorkolk Blindensee & sonnenwarme Maikäferrunde am Kaiserstuhl
- 4.-9.4.2024 (6 Tage)
- 335 km (56 km/d)
- 6560 Hm (1093 Hm/d) – barometrisch
- Topo-Index: 1958 Hm/100 km
Ja, ja, der Schwarzwaldbote hat es sich bequem gemacht und mangels Bezahlkonto seine Berichtspflichten vorübergehend eingestellt. Das heißt nicht, dass er immer mal wieder Berichtenswertes aus dem Black Forest mitgebracht hätte. Einfach nur die Schreibfeder scheint erlahmt. Hier nun aber mal wieder ein Lebenszeichen des Boten, ausgerechnet wieder quasi zu Ostern – nur diesmal nachösterlich, war doch das Hasen- und Eierfest heuer etwas zu früh im Kalender eingetragen. Hier wünschte sich der Bote mal eine Kalenderreform der Christen, Ostern etwas später und konstanter zu fixieren.
Die Wortspiele im Titel geben schon einen Hinweis auf die nachösterlichen Wetterspiele Mitte April mit all ihren Tücken. Von Frühsommer über 25 Grad bis zu einem Temperatursturz von über 20 Grad innerhalb von 12 Stunden mit wiederbelebten Schneefall nach fast komplett weggeschmolzenen höchsten Schwarzwaldbergen stellten eine heftige Herausforderung an den Boten, der seiner altersbedingten Schwäche wegen sich sogar zum vorzeitigen Abbruch einer noch denkbar längeren Berichtsspur durchringen musste, zumal ein Subventionsgeber für inflationsgetriebene Hotelpreise weithin nicht finden war.
Gute Geister der Nacht
(Do 4.4.) Stuttgart 20:16 h || per Bahn || 22:27 h Schiltach – Hinterlehensgericht – Deissenbauernhof – Kienbächle – Hinterholzhof – Wursthof/Hinterlehen (745 m) – Bruckhof – Lauterbach (+)
30 km | 790 Hm
Wir beginnen die Schwarzwaldtour des Boten im Lichte dessen, was dem Namen nach nahe liegt: In der Dunkelheit, im schwarzen Spätmodus. Der Reporterzug dockte quasi geheimnisvoll in der Flößerstadt an der Kinzig an. Fast ungesehen wendet sich der Bote von den letzten Lichtern des Ortes ab, der ohnehin schon dem Schlaf verfallen schien. Etwas der lichten Momente seines Geistes und Auges beraubt, verfehlte der Bote die korrekte Radspur und quälte sich zunächst mal einen steilen Schotterweg hoch. Eine Eule rief ihm zu, hier bist du falsch. Also retour.
Das Höhenmeterkonto war aber bereits derart angezapft, dass sich der Bote zu einer weiteren Quälerei hinreißen ließ, obwohl bereits selbst die Eulen schlafend schwiegen. Der nun korrekte, wohl auch bei Tageslicht hübsche Anstieg durchs Kienbachtal ließ den Boten tief in die Nacht hineinhorchen. Die Stille teilte er mit anderen Nachtsichtwandlern, so etwa einem Salamander., der ohne Lampe unterwegs war. Der Bote fragte sich indes, wie findet dieses Tier über den klitschigen Asphalt zwischen dunkel und schwarz?
Die Gedanken schweiften also in die Stille, ein entlegenes Haus zeugte sogar noch von später Aktivität, soweit Lichter und Geräusche zuzuordnen waren. In die Hinterholz-Stube wäre der Bote ja gerne eingekehrt, allein war es doch eine zu unübliche Zeit dafür. Immer noch ohne erkennbaren Stellplatz für sein Mobilhaus, fand sich der Bote dann schon am obersten Sattelpunkt des ersten geplanten Anstiegs. Einen Namen sucht man hier vergeblich im Wald, doch die ersten Bewohner wenig unterhalb haben sich selbst den Dorfweilernamen „Wursthof“ gegeben. Der Bote schärfte seinen Verstand und vermutet eine nichtvegane Kommune. Während Würste nicht zu riechen waren, gab es erste Begegnungen mit Autos trotz der fortgeschrittenen Zeit.
Das Tal hinunter erreicht man einen Ort, der nach einem leidlich bekannten Gesundheitsminister benannt ist. Trotzdem ist es journalistisch nicht erwiesen, dass Lauterbach jemals Lauterbach gesehen hat. Lauterbach könnte aber auch schlicht der Name eines Schwarzwaldbaches sein. Jedenfalls fließt und rauscht hier alles steil und schnell in schmale Täler. Lauterbach hat zwei Kirchen, die beide irgendwie nicht zugänglich scheinen. Jedenfalls konnte der Bote keine Dorfstraße finden, die zum Eingang führen. Es gibt da wohl einige Geheimnisse, die nicht gelüftet werden sollen.
Da es auch in Lauterbach keine gemütlichen Ecken gab, bewegte sich der Bote erneut in die Vertikale. Die Behausung konnte er schließlich an einem Seegrundstück aufstellen, wenngleich der morastige Boden nicht so wirklich auf eine Luxusregion hindeutete. Umliegende Häuser fallen auf, dass viele unbewohnt sind. Diese Leerstände sind vielleicht nicht nur Zeichen von Landflucht, sondern auch von veränderten Wohnansprüchen, denn zur anderen Bergseite blühen eine Reihe von Neubauten auf.
(Fr 5.4.) Lauterbach (+) – Trombach – Hintere Ecke (798 m) – Auf der Ecke (823 m) – Feriendorf – Tennenbronn – Schwarzenbach – Windkapf (910 m) – Reichenbach – Hornberg – Offenbachtal – Hinterbauernhof – Martinsecke/Rennerebel (809 m) – Beim Kohlplatz (870 m) – Hauenstein/Bäracker/Schöne Aussicht (921 m) – Schonach – Blindensee (1003 m) – Furtwangen – Winterhaldenhof/Hohtal – Schweizersgrund
60 km | 1480 Hm
Schwarzwaldidylle mit Mühlenkunde
Wie zu prähistorischen Urzeiten konnte der Bote morgens in den Spiegel schauen – den Spiegel des Teichs, indem sich offenbar nur kleinste Fische tummelten, für die selbst der kleinste Krümmel zu groß war ins Maul zu stopfen. Der Bote hätte also gar nichts von seinem Frühstück abtreten müssen – allein es zählt aber der gute Wille.
Der herbe Anstieg eröffnet nochmal Tageslichtblicke auf das steil gestaffelte Lauterbach. Trombach in einer weiter oben liegenden Spitzkehre ist nur ein Weiler im Anstieg, einige Höfe hier sind recht belebt für den frühen Morgen. Nochmal aber wird Wald gequert, bevor sich fremdartig gehörnte Rindviecher zur Schau stellen. Auf einem Hochplateau verteilen sich einige alte wie neue Gebäude und Höfe, wohl nicht alle Bauern, sondern auch Pendler z.B. für das in der Ferne erkennbare Schramberg. Die Flurbezeichnung sind hier etwas einfältig und reichen von „Hintere Ecke“ über „Auf der Ecke“ bis zu „Eckle“. Indes ist es hier nicht wirklich eckig, eher gestreckt und fließend flächig.
Die Auswahl an Richtungen ist groß und man ist auch jeweils schnell im Tal. Da sollte man sich nicht verfahren, sonst ist man schnell auf einer ungeplanten Seite. Tennenbronn ist dann die erste Ortsinstanz mit Versorgungsmöglichkeit. Edeka-Läden haben in den kleineren Schwarzwaldorten zumindest auf dieser Tour die größte Verbreitung gehabt, während Discounter sich etwas zurückhalten, sich dort auszubreiten. Für die Dorfstruktur scheint das eine gewisse Heimeligkeit zu unterstreichen. Und doch ist man sparsam für eine Sitzgelegenheit in Tennenbronn, gemütliche Orte fallen auch hier einer autoaffinen Funktionalität zum Opfer. Der Bote erblickte noch einen gut gebackenen Hefezopf – schlichte acht Euro schienen aber selbst mit Inflationsaufschlag eine gewisse verkappte Raffgier nahezulegen. – auch eine gelegentlicher Verdacht schwarzwälderischer Mentalität.
Abgesehen von einem Freizeitgelände ausgangs Tennenbronn erfüllte sich die Hoffnung auf eine Sitzbank über den gesamten Aufstieg zum Windkapf nicht. Ist die berühmte Schwarzwaldbank vom Aussterben bedroht? Der Bote konstatiert immerhin einen ansprechenden Anstieg für die untersten 2/3, der oberste Rest ist den manchmal doch etwas eintönigen, abgeflachten Schwarzwaldhöhen geschuldet, was nicht unbedingt an den Windrädern liegt, wie lokale Antiwindkraftgegner ja gerne behaupten möchten. Für seine Lasteselleistung konnte der Bote noch einen kleinen Applaus von Sportsradlern einheimsen.
Auch hier geschwind den Berg nach Reichenbach runter, kehrt die Schwarzwaldseligkeit schnell zurück. Die Mühle des ehemaligen Unterschembachhofs, erbaut um 1770, ist als kleines offenes Museum im schmalen Bergbachtal herausgeputzt. Der Bote erfährt vom Mühlenzins, den Hofbauern im Gegenzug zur Genehmigung von Hofmühlen dem Landesfürsten zu entrichten hatten. Technisch wurde im Mehlkasten von Sichter durch eine Drehbewegung das feine Mehl vom groben Rest und der Kleie getrennt. Dem martialischen Schnitzgesicht eines Kleiekotzers oblag es, diese auszuspucken. Die böse Fratze sollte Kobolde und andere Unwesen davon abhalten, das feine Mehl zu verderben. Ob diese Fratzengestaltung etwas mit dem manchmal noch heute so charakterisierten „unfreundlichen“ Schwarzwälder zu tun haben könnte, ist indes nicht überliefert.
Viel Getöse, wenig Fakten – das Hornberger Schießen
Das Reichenbachtal (solcher Name ist noch öfters im Schwarzwald zu finden) endet quasi mit einem großen Knall – zumindest sinnbildlich, wenn wir die Geschichte des Hornberger Schießens noch einmal ausrollen. So verbreitet die Redensart, so vielfältig sind Geschichten, Legenden und Quellenlage. Neben anderen Versionen geht das Hornberger Schießen vor allem auf zwei Ereignisse im 16. Jahrhundert zurück. Die eine ist friedlichen Ursprungs, demnach der Besuch des Herzogs von Württemberg mit Salutschüssen begrüßt werden sollte. Die sich nähernden Gefährte erweisen sich aber als recht unadlige Postkutsche und später nochmal eines schlichten Krämerkarrens. Der Salut wurde umsonst verpulvert. In einer zweiten, kriegerischen Interpretation wollten die Hornberger ihre Stadt vor einer Eroberung durch die Villinger schützen. Ihre mächtigen Kanonen verpulverten ihr Feuer aber ohne jede Treffsicherheit. Geschosse gingen weit über den Berg und die Munition war bald verpulvert. Den Villingern reichte es, das Getöse abzuwarten. Böse moderne Kriegsforscher behaupten, dass ein gewisser Putin sich vom Hornberger Schießen inspirieren ließ und auf die letzten Schuss aus leeren Nato-Depots wartet, um ein neues martialisches Zarenreich aufzubauen.
Da ich schon mehrfach Hornberg besuchte, möchte ich hier nicht alle Relikte zur Legende bebildern und besprechen. Tatsächlich entdeckt man immer wieder neue Facetten dieser Geschichte bis hin zu einer heimlichen Liebesgeschichte, über die eine Infotafel des Wappenbrunnens bereist im gegenüberliegenden Offenbachtal (nicht Offenburgtal!) zu erzählen weiß. Nicht anders steigt auch hier das schmale Bergtal schnell und steil an. Die verwunschene Stille des Schwarzwaldidylls wird durch ein paar Holzfällerarbeiten durchbrochen – die Bewohner hier sind nur wenige, soweit wohl nur im Zweitwohnsitz für den Sommer und dann einsetzende bäuerliche Aktivität.
Spiegel im Moorkolk
Mit dem Hinterbauernhof endet der Asphalt, indes wird die Piste hier noch steiler. Ausgefahren erreicht die Strecke das Offenbacher Eckle und ermöglicht den Übergang ins Elzachtal. Doch bieten mehrere Abzweige auch andere Varianten. Eigentlich hatte der Bote die Komplettasphaltanfahrt von Niederwasser geplant, ein weiter Hänger in des Boten Gedankenverlorenheit. Aber er kam auch so ans Ziel, vielleicht sogar in der schöneren Variante. Der Hochpunkt der Auffahrt variiert ziemlich uneinheitlich und wirr. Der Gasthof Schöne Aussicht liegt am Hochpunkt Hauenstein gemäß Wanderwegweiser, was nach Karte aber ein naher Berg sein soll. Bäracker findet der Geograf hingegen nur auf Karten als wäre es der Name des Gasthofs, gleichwohl „Acker“ als beliebte Bezeichnung für Sattelpunkte bekannt ist. Die Straße von Niederwasser aufwärts wird dabei schon zuvor erreicht, wenn Beim Kohlplatz die Schotterpassage endet. Ein Teil der Strecke bei der Verzweigung zum Offenbacher Eckle war indes so steil aufgerichtet, dass der Bote sein Mobilheim schieben musste – in kleinen Intervallstößen unter 20 m. Wir können uns nur Bedanken, dass er nicht den Berg zurückgerollt ist und im Bergbach zum rollin‘ stone versteinert wäre.
Der durchaus warme Frühlingstag blieb ein wenig seiner Sonnenstrahlkraft schuldig, zumindest trübte sich das Bild zum Abend stärker ein. Geradezu düster legte sich ein Dämmerlicht noch vor seiner uhrzeitlichen Bestimmung über die moorigen Hochflächen, die sich um die Talmulde von Schonach ausprägen. Schonach zeigt sich bereits von Sandmännchen befallen ohne sichtbare Spuren von Leben außerhalb eigener Hauswände, verlassen wie zukunftsverloren die Sprungchance in der Ferne und heute bereits auch Mahnmal für den Klimawandel, da Mattenspringen schon häufiger sein soll als Schneespringen.
Der Aufstieg zum Blindensee ist weitgehend auf Asphalt möglich, eine Radweg- und Hofbauernroute durchgehend bis nach Furtwangen. Ein kurzes Zwischenspiel auf Schotter rumpelt über die bewaldete Blindenhöhe. Der Zugang zum See ist limitiert für Fußgänger über einen Bohlenweg, jedoch ist der Weg nicht so weit wie etwa am Wildsee am Kaltenbronn in Nordschwarzwald. Der Moorkolk bildet eine nur spärlich benetzte Wasserfläche, die über einer tiefen Torfschicht umso besser als Spiegelersatz dienen kann. Fast ungemütlich wirkt die Düsternis des einfallenden Wolkenabends, obgleich noch wenige letzte Besucher das Naturwunder beglückt verlassen.
Dem Boten war es dann doch danach, eine warme Mahlzeit einzunehmen, wenn auch nur auf Fastfood-Niveau. Die türkischen Dönerbuden haben auch im Schwarzwald schon oft die lokalen Einkehrstuben abgelöst, erst recht in einer Campusstadt wie Furtwangen. Fortan musste der Bote wieder durch dunkle Nacht, jedoch sollte es nicht spät wie am Vortag, genauer am selben Tag werden, der erst jenseits 3 Uhr nachts endete. Ein Anstieg wartete indes auch diesmal noch, die Umrisse der Landschaft blieben allerdings sehr schemenhaft. Indes war die Gegend dem Boten nicht ganz unbekannt, jedoch nicht bis ins Detail. Schweizersgrund ist dann die passende Destination für einen auch als Alpenfahrer bekannten Boten. Eine Schwarzwaldbank – sie gibt es doch noch! – lockt unter einem breiten Lärchendach für eine Übernachtung mit Aussicht.