Lago di Sassolo mit Velo
Alpen,  Schweiz,  Tessin,  Touren

ALP-2021-TdS-07
Weit verzweigtes Valle Maggia: Wasserfallkulisse, Felsenwohnungen, Steinmetze, Ggurijnartitsch und Seekrone mit Eistopping

Zum Eistopping am Lago del Narèt

Ein paar Blüten gestreut fürs Holundertal

Nachdem ich mir eine Wasch- und Badepause am Bergbach geleistet hatte, sehe ich mich doch schon später Stunde gegenüber. Die noch ausstehend größte Kletterleistung muss ich also abermals unterbrechen. Mit der nächsten, serpentinenreichen Höhenstufe unmittelbar hinter Peccia durchbricht man eine wild schluchtige Steinwelt, aus der sich wiederum eine liebliche Bergarena herausschält, als dessen heimeliger Sonnenbalkon das aufgestaffelte Bergdorf Fusio von einem Südhang weit ins Tal hinunterschaut. Es scheint mir hier angemessen der Polenta mit Schweinebäckchen und übergestreuten Blüten auch noch einen süßen Apfelstrudel beizufügen, während die Blaue Stunde langsam die Terrasse in die dunkle Nacht taucht. Am oberen Ortsausgang von Fusio kann man nochmal ein Mühlenmuseum mit Gästebuch besuchen, offen auch über die Nacht wie auch der Käseautomatenshop nahebei.

(Fr, 18.6.) Fusio – Lago del Sambuco – Grasso di Dentro – Lago di Sassello – Lago Superiore – Lago Scuro – Lago del Narèt (2310 m, letzte Meter auf die Staumauer zu Fuß) – Fusio – Peccia – Bignasco – Cevio – Maggia – via Radweg/Waldtrail – Gordèvio – Avegno

72 km | 1135 Hm

Die Waden sollten gestärkt sein, wenn man den Aufstieg noch weiter zum Lago del Narét angehen möchte. Die erste Steilstufe zum Lago del Sambuco, dem größten Stausee des Flussnetzes der Maggia, ist da noch eher leicht und kurz. Zahlreiche Wasserfälle speisen direkt den Seespeicher, der noch kräftig am Schmelzwasser des späten und schneereichen Winters nippt. Ein Kiosk an der Staumauer hat nur zu besseren Tageszeiten auf, sonst bleibt man im zivilisatorischen Nirwana. Einkehren kann man hier nirgendwo mehr, nur noch Käse einkaufen auf der Alpe Campo la Torba „Dazio“, die sich auf der Hochebene vor dem finalen Aufstieg zum Narèt findet. Mit dem Stausee ändert sich der Name des Maggiatals nochmal, firmiert fortan als Val Sambuco (Holundertal).

Ausgangs der Seestrecke treffe ich erneut das tessinisch-italienische Radlerpaar, welches in der Westschweiz arbeitet und sie als gebürtige Tessinerin ihrem Partner ihre Heimat zeigen möchte. Ich hatte sie bereits Vortags in Peccia getroffen, eigentlich schon vorher im Val Bavona, denn sie waren die Camper in Sonlerto. Da sie den Exkurs ins Val Peccia ausgelassen hatten, konnten sie noch Vortags den Lago del Narèt angehen. Ihr Bericht lässt mich aber etwas erschaudern. Die Straße wäre zu steil gewesen und sie seien ohne das Ende wieder umgekehrt. Ob ich das mit meinem Mehrgepäck dann schaffen werde?

Zum Finale nackt auf Eis

Zunächst darf ich mich bei hohen Steigungsprozenten an einer faszinierende Hochgebirgslandschaft erfreuen. Leuchtende Bergblumen mischen sich mit dem Lärchengrün zu farbenfrohen Bergstimmungen. Zur abgeflachten Hochweide mit Ziegen und Kühen glaubt man sich bald am Ende eines Talkessels. Tatsächlich ist die Weiterfahrt erstmal per Schranke gesperrt. Sachliche Hinweise fehlen, aber das Radlerpaar war ja auch weitergefahren. So nehme ich die nunmehr wieder tiefer im Lärchenwald gelegenen steilen Kurven auf. Geäst und Zapfen übersäen die Straße, bald auch erste Schneereste am Rand. Die Aussicht in die Arena wird stets großartiger und die Luft kälter. Immer mehr Schneereste rücken auf und über die Straße, Schmelzwasser rinselt überall. Bald erreiche ich die erste Passage, die sich nicht mehr umgehen lässt. Um voran zu kommen, ohne meine Schuhe zu nässen, muss ich diese ausziehen und barfuß das Velo durch den Firnschnee drücken. Füße abtrocknen, Schuhe und Socken an, weiter. Das Spiel soll sich nun mehrere Male wiederholen und die Tortur droht ein wenig vor dem Ziel zu scheitern.

Ich bin mittlerweile am ersten See, dem Lago di Sassello, angelangt. Seine Wasser-Eis-Kruste zaubert eine aparte Malerstimmung. Die Straße bleibt indes weiter ein Flickenteppich aus trockenem Asphalt und unfahrbaren Schneefeldern. Durch den Altschnee bohren sich trotzig die ersten Dotterblumen, die sich um ihre Blütezeit betrogen fühlen. Nach dem zweiten See fällt die Straße nochmal in eine Mulde mit einem weiteren Schneefeld ab. Fast glaube ich nun die Staumauer fahrend erreichen zu können. Doch unmittelbar am Fuße der Staumauer ist die endgültige no cycling zone erreicht, auch das Schieben unmöglich. Ich kann das Schneefeld nur zu Fuß ohne Velo umgehen. Es sind vielleicht 10 bis 20 Höhenmeter und eine Kurve, die fehlen, auch das Velo zu krönen.

Den Lago del Narèt bedeckt zur Hälfte eine brüchige Eisdecke. Immer, wenn die Sonne hervorbricht, spürt man den Schmelzhunger des Sommers, doch jede Wolke verrät auch – hier kann es immer noch sehr kalt werden zu Ende Juni. Das Farbenspiel aus kaltem Blau, silbrigem Grau und rissigem Weiß wähnt mich mehr in einer Urlandschaft eines fernen Planeten. In der Flucht eines Strommastes erkennt man die Scharte des Narètpasses, der Weg dahin führt aber heuer nur durch Schnee für Wanderer mit wasserfesten Schuhen.

Eine letzte Nacht im Valle Maggia

Fast ungebrochen stürze ich noch zu Tal bis zum Ort Maggia. Ich opfere dazu den Abstecher zur Avantgarde-Kirche in Mogno und leiste mir nur ein paar Kleinigkeiten aus dem Lädeli in Sornico. Eigentlich könnte ich Locarno und die Magadino-Ebene noch erreichen, doch möchte ich auf reguläre Weise mit Corona-Test nach Italien einreisen und dazu brauche ich eine Apotheke in Locarno. In der Schweiz sind nur wenige Teststationen zugänglich, während in Deutschland ein reiner Testwahn der Tage herrscht, war man doch lange eine Testverweigerungsland.

So trödele ich ein wenig durch einen Flusswald neben der unteren Maggia, um für die Nacht noch vor den Toren Locarnos zu lagern. Wie sich zeigen sollte, lohnte sich diese Taktik nicht wirklich. Die Grotto in Avegno erweckte eher den Eindruck eines Massenbetriebs und setzte mir eine etwas lieblos und würzarm zubereitete Polenta vor. An der Maggia warteten ein paar Stechmücken, die einzigen Blutsauger, die sich auf meiner Reise melden sollten.

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