Lago di Sassolo mit Velo
Alpen,  Schweiz,  Tessin,  Touren

ALP-2021-TdS-07
Weit verzweigtes Valle Maggia: Wasserfallkulisse, Felsenwohnungen, Steinmetze, Ggurijnartitsch und Seekrone mit Eistopping

Nachdem ich die Onsernone-Täler abgeschlossen habe, kann ich noch am Abend des gleichen Tages erste Ansichten vom größten Tal im Hinterland von Locarno einfangen. Das Valle Maggia (auch allumfassend und als Bezirk: Vallemaggia) verästelt sich auf mehrere Nebentäler, die ihrerseits zu mehreren Schätzen der Tessiner Bergdörfer führen. Die Straße im Haupttal folgt der Maggia weit über das letzte Dorf hinaus fast bis zur Narèt-Passhöhe, die sich vom Staudamm am Lago del Narèt auf 2310 m erahnen lässt, aber nicht mehr radelbar ist. Der Maggia selbst ordnet man aufgrund der unterschiedlichen Talcharaktere namentlich gleich drei Abschnitte zu, dem unteren das Valle Maggia i.e.S., dem mittleren das Val Lavizzara und dem obersten Teil das Val Sambuco. Im Haupttal kann man zwischen Locarno und Cavergno weitgehend einem Radweg folgen, der 2016 mit dem nationalen Velopreis der Schweiz ausgezeichnet wurde.

Valle Maggia Haupttal mit dem Valle di Campo

(Mo, 14.6.) [Mosogno – Russo – Ponte Oscuro – Crana – Vocaglia – Comologno – Spruga (1113 m) – Bagni di Craveggia – Spruga – Ponte Oscuro – via Valle di Vergeletto – Vergeletto – Zott – Piano delle Cascine/Fondo Valle (~1115 m) – Vergeletto – Ponte Oscuro – Russo – Loco – Cavigliano –] Ponte Brolla – via Valle Maggia – Gordèvio – Avegno (via Rad-Weinbergroute) – Maggia – Coglio – Someo

76 km | 1295 Hm

Grottos und Rebenhänge im unteren Valle Maggia

An der Ponte Brolla hat sich die Maggia einen schmalen Canyon aus fast weißem Granit gegraben (vgl. Vorkapitel). Den unteren Talbereich prägt allerdings mehr ein breites Kiesbett, welches in sanft ansteigende Rebenhänge eingebettet ist, sofern die steileren Waldflanken nicht direkt bis zum Fluss reichen. Im unteren Bereich kämpfen bis Cevio kleine Gewerbegebiete gegen das romantische Bergklischee an. Die Bergbewohner möchten ja letztlich auch nicht auf ein modernes Leben verzichten. Der Radweg windet sich bisweilen weit ab der Straße durch die Weinhänge und enthält so einige zusätzlichen Steigungen. Mancher Wasserfall erweckt die Illusion, als würde er direkt in die Rebstöcke fallen. In eine solche kulturlandschaftliche Symbiose wächst das Herz des Besuchers liebend gerne hinein, der zudem lukullischen Genuss in einer der hübsch gelegenen Grottos finden kann. Mit leidenschaftlichen Streitgesprächen endet mein Tag in einer Osteria mit weinblättriger Gartenlaube ebenso geistreich wie geschmackvoll bei kühlem Bier, herzhaften Gnocchi Bolognese mit Auberginen und Pilzen sowie einem Espresso.

(Di, 15.6.) Someo – Cevio – via Valle di Campo – Linescio – Cerentino – via Valle di Bosco/Gurin – Bosco/Gurin – Schwarzabrunna (1546 m) – Bosco/Gurin

30 km | 1320 Hm

Das erste bedeutende Nebental der Maggia ist gleich ein Doppeltal, das sich erst weiter oben verzweigt, nachdem man schon zwei Stufen von fordernden Serpentinen hinter sich gebracht hat. Der Basisort Cevio ist der letzte Ort im Valle Maggia mit noch umfänglicher Infrastruktur. Man tut gut daran, sich hier für Exkursionen in die weiteren Maggiatäler mit Basisprodukten einzudecken, auch wenn es noch vereinzelte Einkaufsquellen in den höher gelegenen Dörfern oder von Bergbauern gibt und auch einige Einkehrmöglichkeiten bestehen. Das geschäftige Dorf mit Patrizierhäusern aus dem 16. bis 18. Jahrhundert, die teils mit Sgraffiti bemalt sind, bietet zahlreiche Arbeitsplätze in Verwaltung, im Spital und in Steinbrüchen, sodass sogar Pendler vom Lago Maggiore für die Arbeit ins Tal hinauffahren.

Die besondere Walserinsel im Val Bosco/Gurin

An der Verzweigung in Cerentino folge ich zunächst weiter dem Valle di Bosco/Gurin, so die breitere Straße auch das Haupttal dort vermuten ließe. Tatsächlich liegen aber im Val Rovana, auch als Valle di Campo bezeichnet, mehr Siedlungen. Ermattet bleibe ich zunächst mal bei einer Badestelle mit Römerbrücke liegen.

Die Straße windet sich nicht minder steil noch weiter bis Bosco/Gurin, ein kompromissgeleiteter Name für die vielsprachige Walsersiedlung. In der Auswahl wechselnder Ortsnamen finden sich solche Bezeichnungen wie „toto territorio de buscho, sive in dicta valle de Quarino“ aus dem Jahre 1311. Im Ort wurde und wird immer noch Gurinerdeutsch (Ggurijnartitsch) gesprochen, was im italienischsprachigen Tessin einzigartig ist. Die Sprachinsel behauptete sich überraschend über Jahrhunderte, obwohl sie topografisch zu den italienischen Walsergemeinden im Val Formazza (Val d’Ossola) nahezu abgeriegelt liegt. Auch wenn heute das Italienisch vorherrscht, ist hier ein heimeliges Bergdorf erhalten – auf 1506 m sogar das höchst gelegene Dorf des Tessins. Für eine weitere Kuriosität sorgt der kleinste Coop-Markt der Schweiz.

Ich hatte hier noch erwogen, bis zur Capanna Grossalp aufzusteigen. Die zunächst weiter asphaltiert führende Straße endet jedoch im Nirwana unweit einer Madonnengrotte und eines Wasserfalls. Die im scharfen Winkel abzweigende Almpiste hat schließlich zu grobes Geläuf, als dass ich die Tortur auf mich nehmen möchte. So vertrödele ich den Abend etwas unentschlossen und bleibe schließlich zur Mondnacht über der einschmeichelnden Dorfkulisse. Wieder ein Moment, der das Besondere atmet: Diese bewegende Stille, in der nur das Echo des plätschernden Brunnens schallt unter dem schweigenden Licht des Firmaments.

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