Gletscher- und Bergwelt Arolla, mit Spitzkehre und Velo
Alpen,  Schweiz,  Touren,  Wallis

ALP-2021-TdS-13
Das Mittelwallis mit Zinal, Moiry, Arolla und Grande Dixence

Ein Latte Macchiato für das Regengebet

Die gestaffelte Ortskulisse von Grimentz begrüßt den Besucher mit heimeligen Holzfassaden, deren Balkone und Fenstersimse mit feurig roten Geranien geschmückt sind. Die alten Holzspeicher mischen sich mit den traditionellen Wohnhäusern. Durch das Dorf fällt ein kleiner Bergbach, der seit früher Zeit Mühlen angetrieben hat, von denen eine als restauriertes Schmuckwerk die Alpenidylle fast schon kitschig befördert. Nette Gastbetriebe und Läden bieten regionale Spezialitäten an wie etwa die preisgekrönte Abricotine-Torte der Konditorei Salamin, aber auch internationale Sportartikel für Skifahrer, Wanderer und Biker sind gut erhältlich.

Einen ersten Versuch, die Auffahrt zum Lac de Moiry anzugehen, breche ich wieder ab, als sich die giftige Nieselfront mir entgegenstellt. Die vorübergehend wenigen Sonnenstrahlen hatten meinen Optimismus etwas übertrieben hervorgelockt, den ich nun mit Latte Macchiato, Aprikosenpraline und einem Telefongespräch mit befreundeten Sachsen zu verlängern suche. Meinen Blick habe ich ständig auf die düstere Wand ins Val de Moiry gerichtet. Die Aussichten verbessern sich dabei nicht, aber mein Übermut wächst in der Ungeduld.

Schlummerland Bergtoilette

Eigentlich hat es an der Strecke genügend Wasserstrahle und kleine Bergbäche, die sich über die Felsspalte ergießen. Doch bekomme ich mit jedem Höhenmeter mehr noch zusätzliche Himmelstropfen geschenkt, die sich mit dem Erreichen der Bergweiden zu Bindfäden verstärken. Nur phasenweise kann ich die Nahzonen am Hang überblicken mit Ausblicken nach Grimentz herunter und Alpenrosenteppichen zur anderen Seite hinauf. Als ich den Fuß der Staumauer erreiche, bin ich um den aufsteigenden Tunnel zum Stausee dankbar, der mich kurz vor dem dicht strömenden Regen schützt. Trotzdem ist es auch hier feuchtkalt und das Wasser dringt durch viele Ritzen des Tunnelgesteins.

Das Restaurant unmittelbar an der Staumauer des Lac de Moiry ist nur über Tag geöffnet und hat kein überstehendes Schutzdach. Nicht ein Hauch von Schutz an einem unwirklichen Ort, der bei Sonnenschein genau gegenteilige Gefühle des Juchzens hervorrufen würde. Auch hier ist es wieder ein ungewöhnlicher Ort, der mir den Wetterschutz liefern muss. Unmöglich wäre es im schneidenden Wind und dem Bindfädenregen ein Zelt aufzustellen, das noch trocken bliebe. Ein separates Toilettenhaus ist dann doch noch offen. Auch eine Toilette kann zum Schlafgemach werden. Wieder mit Defibrillator. Nachts peitscht der Regen ununterbrochen hernieder, die Temperaturen sinken auf die Frostgrenze. Selten ist mir eine Toilette ein solch genugtuender Luxus gewesen.

(Do, 15.7.) Lac de Moiry – Lac de Châteaupre (2352 m) – Lac de Moiry – Grimentz – via Route de l’Irette/Route des Mayens de Pinsec (Velo-Piste/Fahrweg nach Vercorin, bei Nässe schwerer zu fahren, teils matschig, Straßenroute über Mayoux/Pinsec gesperrt) – Les Bouesses – Les Mayens de Pinsec – Les Zau Derri (1718 m) – Les Ziettes – Vercorin – Loye – Nax/Balcon du Ciel (1301 m)

47 km | 790 Hm

Gletscher im Wolkenbad

Obwohl kaum Fortschritte bei Wetter am Morgen zu sehen sind, erreichen mit dem ersten Bus erstaunlich viele Wanderer den Staudamm. Nun habe ich keine Wetterprognosen nachgeschaut, aber diese Gäste sicher auch nicht. Obwohl ich erst spät starte, kann ich auf Regenhose und Winterhandschuhe nicht verzichten. Noch am Lac de Moiry verdichten sich die Bindfäden wieder, die Wolken sinken. Eine toughe Radlerin kommt mir auf einer wohl morgendlichen Trainingsfahrt entgegen und wundert sich über meine Reisexkursion in dieser Waschküche.

Die Fahrt zum Talschluss am Lac de Châteaupre ist radlerisch keine große Herausforderung, nur moderat ist noch der restliche Anstieg. Wenn es nicht ohnehin den Regen gäbe, würden bereits die wasserspeienden Felsen am Rande reichen um nass zu werden. Die Straße endet mit Parkplatz und einem an solchen Tagen nicht geöffnetem Kiosk. Zur Seite steigt ein Wanderweg auf, zum zweiten, kleineren See schleicht noch eine Piste vor. Ein Fotograf macht gerade mit Drohne Nahaufnahmen vom Glacier de Moiry. Dieser scheint aber ohnehin fast greifbar mit seinen Löchern, Rissen und Höhlen. Der vollständige Bergblick bleibt jedoch in der Wolke stecken. Immerhin kann ich eine Trockenphase nutzen, um die Rückfahrt flott anzugehen.

Mit Matschspur auf 20 Meter Sicht

Durch den späten Tagesbeginn ist trotz aller kleinsten Sichtmomente bereits Mittag. Pünktlich nach dem Supermarkteinkauf und zum Picknick setzt wieder leichter Regen ein. Ausgerechnet bei solcher Wetterlage muss ich wieder über eine Straßensperrung grübeln. Auch Richtung Vercorin soll die Fahrbahn gesperrt sein. Das Risiko, eine noch heiklere Erdrutschstelle vorzufinden als am Vortag, bewegt mich der Empfehlung aus dem Tourismusbüro in Zinal zu folgen. Demnach führt eine Veloroute alternativ zur Straße oberhalb am Hang. Laut der Auskunft des Tourismusbüros soll die Strecke einfach zu fahren sein, sowohl topografisch als auch vom Pistenbelag her.

Wie so manche Einschätzung geht diese auch fehl, vielleicht mehr noch wegen des Wetters. Die Anfahrt ist in Grimentz nicht ausgeschildert und nicht ganz einfach zu finden. Nach der asphaltierten Ortsausfahrt beginnt zwar weitgehend gute Piste, verwandelt sich aber in den oberen Höhenbereichen in ein matschige Schlammpiste, die von Forstarbeiten verursacht ist – also ggf. nur zeitweilig in so schlechtem Zustand. Wer ein Pech an dr Backe hat, bleibt selten bei einem allein. Der Anstieg auf der Strecke ist durchaus kräftig und nicht ganz durchgängig, zwei wenig markante Höhenpunkte sind zu meistern. Der Regen hat mittlerweile eine neue Dichte erreicht, die mich noch zäher vorankommen lässt. An einer Hütte versuche ich die erneut schlagartig auftretende Müdigkeit auszusitzen. Doch der Wetterschutz ist zu spärlich, man kann nicht liegen.

Die letzten Pistenkilometer wieder abwärts sind rauer geworden, aber immerhin wieder ohne großen Matsch. Steil windet sich die Straße nach unten, ohne dass ein Ziel zu erkennen ist. Vercorin taucht so recht unvermittelt auf und scheint sich weit am Hang zu verteilen. So genau kann ich das aber nicht sehen, eigentlich sehe ich nicht viel mehr als nichts. Meine Lippen trinken unaufhörlich das Himmelswasser – warum teilt das nicht ein Götterbote auf die Wüsten der Erde auf? Die Sichtweite schwindet zeitweise auf schlichte 20 Meter. Wie ist es möglich, voranzufinden?

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