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Les Nuits de la guitare Patrimonio

Im Nordosten Korsikas beleben Gitarrennächten von Patrimonio ein Hörerleben in besonderer Atmosphäre. Zu hören gibt es alle Genres der Gitarre, das klassische, das rockige, das folklorisitsche oder das jazzige. Obwohl die beschauliche Weinregion alles andere als trubelig ist, gesellen sich für das Festival zahlreiche internationale Besucher um das Open-Air-Podium. Was zieht die Menschen zu diesem Ereignis, welches auch im Land der Sommerfestivals noch einen hervorgehobenen Status genießt?

Der neue Geist des Weines

Ein Festival steht und fällt mit seiner Atmosphäre, die die Künstler inspiriert. Bewohner, Publikum, Veranstalter und Umgebung müssen miteinander harmonieren, wenn der Funke überspringen soll. Begünstigt ist Patrimonio durch seine Lage in der Nähe von Bastia mit Flug- und Schiffsverbindungen. Mehr noch aber ist Patrimonio die vielleicht edelste Weinregion Korsikas, die in den 1920er Jahren neu belebte wurde. Es gibt hier keine Massenweine, sondern kleine Weingüter, die innovatives Winzertum pflegen. Manche Betrieb entwickeln neue Rebsorten oder rekultivieren alte Trauben auf den mineralreichen Böden. Der Winzer Aliso Rossi arbeitet dazu auch mit der Universität Corte zusammen. Einigen Flascheneditionen mit Etiketten des Künstlers Gabriel Diana verleiht er dem Wein nicht nur einen hohen Sammlerwert, sondern auch eine gelungene Symbiose der Inspirationsquellen zwischen Genuss und Kunst.

Wer also den Wein aus der Patrimonio-Region genießen will, muss in diese Region kommen, Exporte gibt es kaum. Der „Corsaire“ aus dem Supermartkregal ist ein Massenwein aus der Ebene im Osten Korsikas. Patrimonio-Wein sind in deutschen Weinhandlungen schlicht unbekannt. Tradition und Moderne, erlesenes Bouqet und bodenständige Weinwirtschaft sind dann auch Eigenschaften der Region, die sich auf das Festival übertragen. Ein amerikanischer Gast untermauerte seinen alljährlichen Besuch des Festivals unmissverständlich: „Once in Patrimonio, ever in Patrimonio!“

Kriche San Martinu in Patrimonio
Kirche San Martinu in Patrimonio

Kulisse mit 3000-jähriger Geschichte

Die Kulisse liegt in einem Parkgelände, von der aus man die angestrahlte, exponiert liegende und für Patrimonio gesichtsgebende Kirche San Martinu sehen kann. Der Torbogen des Parks im Hintergrund der Bühne wird von zwei gut erhaltenen Menhiren eingerahmt, die in der Nähe im 20. Jahrhundert gefunden wurden. Die Musiker spielen also im Rahmen einer 3000-jährigen Geschichte. Schon an der Seitenstraße zum Festival liegen ein paar Kneipen, die wohl nicht nur zur Festivalzeit kultige Nacht-Treffpunkte sind. Weinfässer sind überall – ob als Tisch oder nur zur Deko. Autofahrer werden vor dem Ortszentrum auf bereitgestellte Wiesenflächen von zahlreichen Ordnungskräften zum Parken verwiesen.

Die Jazznacht des Gitarrenfestivals, das 2012 bereits zum 23. Mal in den Ort mit gerade Mal 750 Einwohnern einlud, gilt als eine der beliebtesten Abende unter allen Konzerten. Karten gibt es trotz der Begeisterung auch an der Abendkasse meist noch genügende. Örtliche Weinbetriebe, Geschäfte, Restaurants und Übernachtungsgeber haben sich symbiotisch mit dem Festival arrangiert, Werbung für das Festival ist auf Webseiten und allen regionalen Touristiktipps vorhanden.

Blick Bassy
Blick Bassy

Blick Bassy – African Footprints

Musikalische Eindrücke von den Auftritten sind mittlerweile öffentlich über Youtube zugänglich und entsprechende Hörtipps habe ich hier unten mit eingebaut, auch die Soundqualität nicht überragend ist. Den Auftakt macht der aus Kamerun stammende Blick Bassy in einer kurzen Soloperformance, ein Singer/Songwriter-Typus, der über Lokua Kanza und Richard Bona bekannt wurde. Mit seiner hellen Stimme singt er sehr eindringliche Lieder mit feinen Melodien und Klängen aus seiner Heimat verbunden, sich selbst an der akustischen Gitarre begleitend. Kein echter Jazz – aber wie häufig aus Kamerun – ein moderner, kreativer Umgang mit afrikanischen Wurzeln. Musikbeispiel 1: Blick Bassy in Patrimonio

Biréli Lagrène
Biréli Lagrène

Biréli Lagrène – Sinti-Jazz modernisiert

Der erwartete Topact des Abends folgt mit Biréli Lagrène, der in einer Quartettformation antritt. Lagrène ist ein Sinto, gebürtig im Elsass, und verbindet den Sinti-Swing eines Django Reinhardt mit modernem Mainstream-Jazz. So können auch mal Rockadaptionen von Bob Marley bis Jimi Hendrix in seine Musik einfließen, Klassik oder Latin Music – Berührungsängste kennt er nicht. Stochelo Rosenberg, Gil Evans oder John McLaughlin sind nur ein paar unter vielen Weggefährten gewesen. Je nach Besetzung und verwendeter Gitarre kann ein Abend mit Lagrène sehr unterschiedlich ausfallen. Hier spielt er groovig, Elektrojazz-orientiert, mit E-Gitarre und Hammondorgel in seiner Gruppe. Seine Improvisationen sind wieselflink, scheinbare Routine bricht Lagrène nahezu spielerisch leicht mit Licks jenseits des Erwarteten. Das Zusammenspiel der Gruppe ist traumwandlerisch, besondere Akzente setzt in meinen Ohren der Elsässer Saxophonist Franck Wolf (Ensemble straSax). Musikbeispiel 2: Biréli Lagrène in Patrimonio

Sylvain Luc
Sylvain Luc

Sylvain Luc – dekonstruierte Sensitivität

Der Höhepunkt des Abends ist sicherlich die Jam Session mit Biréli Lagrène und Sylvain Luc zusammen auf der Bühne. Beide verstehen sich kongenial miteinander haben auch schon im Duett mindestens eine CD eingespielt. Sylvain Luc bestimmt die Bühnenshow mit rollenden Augen und schalkhafter Mimik. Improvisation at its best! Nach dem Umbau kehrt Luc im eigenen Trio wieder, spielt sodann weniger für die Show, wirkt konzentriert und introvertiert. Sein Spiel ist auch mal deutlich gegen den Strich gebürstet, die Linien intelligent in weiten Bögen gedacht, bevor sie auf das Grundmotiv zurückgeführt werden. Ausgebildet ist er klassisch an Geige, Cello und Gitarre. Luc stammt konträr zu Lagrène aus der anderen Ecke Frankreichs, aus dem Baskenland, und hat in seiner Karriere unterschiedlichste Musiker begleitet – vom Chansonnier Georges Moustaki über den Musette-Neudeuter Richard Galliano, den Jazz-Violinen-Innovator Didier Lockwood bis zum Avantgarde-Saxophonisten Michel Portal. Ein gewisser Eklektizismus ist entsprechend in seinem Spiel nicht zu leugnen – so gespielt aber homogene, um nicht zu sagen höchste Kunst. Musikbeispiel 3: Sylvain Luc in Patrimonio

Alex Ligertwood
Alex Ligertwood

Alex Ligertwood – Soul-Rock-Idol mit Abnutzungserscheinung

Für den letzten Auftritt der Nacht bleiben der Schlagzeuger André Ceccarelli und der Pianist Julian Mazzariello auf der Bühne. Sie spielen in einer erweiterten Variante der Gruppe Troc, einer Jazzrock-Formation um den charismatischen schottischen Soulsänger Alex Ligertwood. Ligertwood hat Troc jüngst neu belebt, die Band spielte bereits Anfang der 1970er Jahre (als Trio mit Ceccarelli und Yannick Top). Er ist schon ein Urgestein, wichtige Stationen in seiner Karriere waren u. a. Arbeiten mit Brian Auger, Santana, Spyro Gyra und Ben E. King. Ungeachtet der großen Begeisterung des Publikums und seinen zweifellos ansteckenden Entertainment-Qualitäten sind meine Eindrücke etwas gedämpft. Die Stimme scheint mir ausgelaugt, nicht auf dem Höhepunkt ihrer Möglichkeiten, auch die Musikausrichtung nicht ganz auf meiner Wellenlänge. So fällt es mir leichter, gegen ein Uhr die Konzertnacht vor Ende zu verlassen. Radler sind eben auch Kulturbanausen – immer ist Essen und Schlafen wichtiger. Musikbeispiel 4: Troc in Patrimonio

Festival-Info: Les Nuits del Guitare de Patrimonio

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