JUR-2021-TdS-20
Basler Kirschen serviert auf Solothurner Tafeljura mit verlorenem Ende in Südbaden
(So, 1.8.) Solothurn – St. Niklaus – Riedholz – Hubersdorf – Attiswil – Rumisberg – Wolfisberg – Walden – Burgmätteli (1065 m) – Schwengimatt – Laupersdorf – Balsthal – Holderbank – Höchstmattchöpfli/Tiefmatt (806 m) – Oberbuchsiten – Egerkingen – Santelhöchi (797 m) – Langenbruck – Oberer Hauenstein (731 m) – Waldenburg
60 km | 1545 Hm
Kleine Regenfahrt mit Poesie
Tatsächlich hat es die ganze Nacht durchgeregnet, Aron, der Gastgeber, ist Langschläfer und wir sehen uns daher nur noch kurz am Morgen. Eigentlich gibt es kaum Lichtblicke, die eine Beschäftigung jenseits von Bett oder Sofa an einem solchen Sonntag rechtfertigen würden. Der Regen ist geblieben, hat sich aber immerhin etwas abgeschwächt. Die Gemichtlage bleibt den Tag über bestehen, erst gegen Abend sollte es nachhaltig trockener werden. Zu den meisten Zeiten bleibt die Regendichte noch erträglich, wenngleich die Panoramablicke in einem Schleier verwässern. Die Landschaften spielen hingegen märchenhaft mit Wolkenschwaden, mit der stillen Poesie von ruhenden Landstrichen. Regentropfen blinzeln in kristallenen Prismen, Schnecken wissen der Zeit den rechten Takt zu geben, die Gerüche der Wiesen und Wälder intensivieren sich sinnlich mit dem Moder von nassen Moosen und Blättern, von feuchter Erde.
Im Solothurner Jura hält die Synklinale des Jurakamms noch einige Übergänge bereit, die ich noch nicht gefahren bin. Das Burgmätteli ist offenbar nicht der einzige Sattel in unmittelbarer Umgebung. Erstaunlich gut klettere ich trotz Regenklamotten die zweistelligen Steigungsprozente hinauf. In Balsthal genieße ich einen Kaffee bei immerhin ein paar Sonnenstrahlen, doch bleibt es weiterhin regnerisch. Die Burgruine Neu-Falkenstein setzt das Augstbachtal in Szene.
Fast eine Geheimstrecke führt von Holderbank durch Streuobstwiesen über Tiefmatt. Nur ein kleiner Teil auf der Auffahrtsseite ist plane Piste, die sich aber mit jedem Rad gut fahren lässt. Trotz der entlegenen Lage liegt an der Passhöhe ein Gasthof, der allerdings nicht in Betrieb ist. Für dieses romantische Stück Land, nunmehr mit Fernsicht in und über das Aaretal hinaus stoße ich auf Lyrik-Stationen des Holderbanker Poesieweges. Wir schweifen einmal über die Verse von Karl Stamm’s „Lied an die Natur“:
Sowas muss belohnt werden…
In guten Sonnenstunden kann man hier wunderbar über dem Tal unter einer Linde sitzen. Das Schweigen bricht wieder die Talsohle mit Wohn- und Gewerbegebieten. Ich verlasse aber noch hanglagig Egerkingen zum Santelhöchi. Hier ist eher selten Aussicht, taucht die Straße doch schnell in dichteren Wald ein. Durch eine Hochtalmulde schließt sich der Obere Hauenstein an, nebst Passhöhe gleichzeitig auch nördlicher Einfahrtspunkt zum Ort Langenbruck. Schneller, aber weniger poetisch könnte man auch direkt von Holderbank hierhin finden. Es ist doch recht kühl hier droben. Schon wieder etwas milder fühle ich mich in Waldenburg irgendwie heimelig – und sollte recht mit dem Gefühl bekommen.
Ich beschließe, meine letzten Fränklireserven mit einem Abschiedsessen zu verpulvern. Das ist dann gar nicht so einfach. Ich bestelle im Gasthof Löwen mein altes Schweizer Lieblingsessen, Zürcher Gschnetzeltes mit Rösti, Bier, Café und noch einer Kirschen-Mascarpone passend zum noch ausstehenden Basler Kirschenland. Das Ganze kostet opulente 58,50 SFr, ich bekomme von der Wirtin jedoch 8,50 Franken Rabatt für besondere Radfahrleistungsverdienste innerhalb der Schweiz, nachdem ich ihr von meiner famosen Schweizreise berichtet habe. „Sowas muss belohnt werden“, meint die Servierfrau und mit Absprache der Chefin darf ich auch noch im Garten mein Zelt aufschlagen. Kniefall und Verbeugung – Vielen Dank!