Museum Hermann Hesse: Museumhaus mit Tisch, Stühlen, Velo
Alpen,  Italien,  Lombardei,  Schweiz,  Tessin,  Touren

ALP-2021-TdS-10
Wechselhafte Ansichten um den Lago di Lugano

Italienische Ansichten vom Lago di Lugano

(Sa, 26.6.) [Camping Colli Fiorito – San Fedele d’Intelvi (737 m) – Blessagno – Pigra – Bocchetta di Colonno (1324 m) – Passo di Boffalora (1221 m) – via Valle dei Rovasci (teils gute Piste) –] Alpe di Ponna – via Valle di Ponna – Ponna Superiore – Ponna Inferiore – Osteno – Porlezza – San Pietro – via Val Cavargna – Carlazzo – Cusino

51 km | 1295 Hm

Schinken, Wein und Akkordeon – die Alten von Ponna

Das letzte Kapitel in den Luganer Voralpen führt mich in eine nochmal andere Facette der Region. Zunächst gerate ich unerwartet in ein Dorffest in Ponna Superiore. Der hier wohl kaum erwartete Pedalgeist erhält sogleich ein paar Häppchen mit lokalen Schinkenspezialitäten und ein Gläschen Wein. Es sind die Alten hier, die in nostalgischen Fotoalben Blättern, genüsslich ihre Zigarette rauchen, während der greise Akkordeonspieler die passenden musikalischen Takte des Festes unterlegt. Ich erfahre, es handele sich um ein spontanes Fest, das eigentlich keinen Anlass hat. Vielleicht ist es ein Fest der traurigen Coronazeit eine Freude entgegenzusetzen.

Ich hatte mich etwas leichtfertig dann auf die Nebenstraße direkt vom Festplatz kommend nach Ponna Inferiore abfallen lassen, da im Gegensatz dazu die Hauptstraße am östlichen Ortseingang ins Valle d’Osteno, auf der auch der örtliche Bus verkehrt, eine gemäßigte Schleife in einem weiten Bogen beschreibt. Ungleich anders bricht hier die Straße derart steil und eng ab, dass kein Bus diese Strecke sicher bewältigen könnte. Wenn noch die Bremsen qualmen, springt in der tief gefurchten Bergbachmulde die Straße genauso unvermittelt wie eine Himmelsleiter empor – wenngleich nur ein kurzer Steigungsschmerz.

Der Luganer See zeigt sich hier nahezu verschlafen, ist Osteno doch sowas wie eine Sackgasse am See, da nach Westen keine Straße mehr dem Steilufer abgerungen werden konnte. Auch die Strecke nach Porlezza ist bis auf ein paar Einzelvillen mit Seegrundstücken nahezu unbesiedelt, zu eng ist das Spalier zum abfallenden Fels. Da wuselt in Porlezza ein heftiger Kontrast, derweil die Flussaue am Seeufer etwas mehr Raum öffnet. Supermärkte und Outletläden locken Konsumenten an, Badenixen und Campinggäste treibt es zum Seeufer an der Mündung des Cuccio.

Stiller Charme der Adlernester im Val Cavargna und Val Rezzo

Eine nächste grenzwertige Herausforderung handele ich mir durch eine Abkürzung ein, auf der ich über San Pietro Carlazzo auf einer Steilrampe Calcio ansteuere, die mich ein paar Liter Brunnenwasser kosten, die ich gleich passend am Ende der Rampe zur Erfrischung vorfinde. Ebensoviel Wasser hat wohl auch meine Radkappe auf dem guten Kilometer Anfahrtskilometer aufgesaugt. Das Val Cavargna dringt nun mehr in felsige Bereiche ein, die schroff an den Straßenrand reichen. In der Ferne schauen mehrere Adlernester vorwitzig und kühn in das Tal, die Straße immer weit über dem Bergfluss gelegen. Im Mischwald beginnen einige Kastanienbäume langsam ihre leuchtende Blütezeit. Trotz der vielen Balkonplätze für romantische Abendstunden scheint der Tourismus fast ferngeblieben und die Gastronomie doch etwas dürftig ausgeprägt. Eine Pizza geht aber auch hier noch gut.

(So, 27.6.) Cusino – San Bartolomeo Val Cavargna – San Nazzaro Val Cavargna – dev. Cavargna – Passo della Cava (1150 m) – Dasio (Piste Richtung San Lucio bei ~1200 m abgebrochen) – Buggiolo – via Val Rezzo – Molzano – Porlezza – Cima – Cressogno – San Mamete – Albogasio – Lugano – Paradiso – Pazzallo – Carabbia – Carona (Roccolo, 640 m)

52 km | 1150 Hm

Die Bergdörferfahrt macht Laune, in klarer Sommerluft erwartet man in San Bartolomeo Sonntagsgäste, für die Verkaufsstände aufgebaut werden. Eng gewunden bleibt die Straße ein Abenteuer zwischen Stützmauern, freiem Fels, lichtem Bergwald, gestuften Wasserfällen und den Balkonplätzen der Adlernester. Bei Cavargna bleibt die Durchgangsstraße unterhalb des Höhenortes und fällt gar kurz ab, um dann aber doch zur unauffälligen Passhöhe aufzusteigen. Hier entspannt sich die Straße als flach gebügelte Kuppe, die ins Val Rezzo überführt.

Noch vor dem steileren Abfall in Buggiolo, dem einzigen Adlernest des Val Rezzo, zweigt beim Weiler Dasio eine steile Betonpiste in Richtung des Passo San Lucio mit Kapelle und Rifugio gleichen Namens ab. Aus einem Rennradportal hatte ich den Tipp einer gut machbaren Überfahrt des Grenzpasses ins schweizerische Val Colla. Welche Rennräder immer auch die Grundlage gewesen sein mögen, nach Ende der Betonpiste versagt eine grob tiefe Schotterpiste den Aufstieg trotz meiner größtmöglichen Schindereiversuche. Vielleicht ist es auch das Gewicht das Velos, dass den Pneu in die Piste so tief eingräbt, von der ungnädigen Steilheit ganz zu schweigen. Gut lachen haben da Kind und Kegel auf vollbesetzten Pickups, die zum Sonntagsschmaus auf die Alm motorenkräftig schaukeln. Gleich zwei Wallfahrtsfeste sind indes sommerliche Anziehungspunkte für Feierlaunige auf der etwas sonderlichen, für mich unerreichbaren Passhöhe.

Valsolda, deine Orte sind Poesie!

Das Val Rezzo stürzt ohne Zwischenstufen von Bergdörfern mit rasanten Kehren ins Seental. Schattige Haine und griffige Ausblicke in das tief eingeschnittene Bergland begleiten den Abfahrtsrausch. In den unteren Etagen erlauben der Lago di Piano und der Lago di Lugano einen Zweiseenblick. Unten am Ufer hat sich Porlezza nun in der Ansicht zu einem pittoresken Promenadenort mit Bergkulisse verwandelt.

Das Nordufer des Luganer Sees habe ich zwar reizvoll, aber auch sehr verkehrsreich in Erinnerung. Umso mehr nehme ich erfreut Notiz von zwei Tunnels, die wesentliche Teile der Strecke seit ca. 2012 beruhigt haben. Gleich die Galeria Porlezza erlaubt einen stillen Einstieg auf der alten Uferstraße als Radweg. Zwischenzeitlich taucht die Staatsstraße zwar wieder auf, verschwindet aber in der Galleria Valsolda dann länger bis zur Schweizer Grenze im Berg. Dadurch erhält die Perle des italienischen Seeufers San Mamete der Gemeinde Valsolda seine verdiente poetische Stimmung wieder, die auf das literarische Schaffen von Antonio Fogazzaro zurückblicken kann. Fogazzaro entwickelte neue Perspektiven des Positivismus und suchte die Darwin’sche Evolutionstheorie mit dem Christentum zu vereinigen. Das veranlasste die Römisch-Katholische Kirche dazu, noch Anfang des 20. Jahrhunderts zwei seiner Romane auf einen Verbotsindex zu setzen. Sein Roman „Piccolo Mondo Antico“ (Die Kleinwelt unserer Väter) verarbeitete die reizvollen Stimmungen des Seeortes mit den psychologischen Konflikten in einer kleinbürgerlichen Lebenswelt, die auch die Erfahrungen seiner Residenzzeit am See widerspiegeln. Zur besonderen Lage des Ortes vermerkte indes der Mitbegründer moderner Reiseführer, Karl Baedecker, einst: „Valsolda liegt in einer der schönsten Landschaften der Welt, Sonne, See, Berge, Romantik, gesundes subtropisches Klima“.

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