Museum Hermann Hesse: Museumhaus mit Tisch, Stühlen, Velo
Alpen,  Italien,  Lombardei,  Schweiz,  Tessin,  Touren

ALP-2021-TdS-10
Wechselhafte Ansichten um den Lago di Lugano

Schweizer Ansichten vom Lago di Lugano

Das schweizerische Rio mit Kulturanspruch und Wirtschaftskraft

Um nach Lugano einzufahren, muss die Straße dem Steilufer des Monte Bré mit einer deutlichen Überhöhung ausweichen. Gandria bleibt dabei als Sackgasse unterhalb direkt am See liegen, nur ein Wanderweg schlängelt sich am Ufer entlang. So fällt die Straße dann ziemlich unvermittelt von einer stillen Naturkulisse in die Siedlungsareale der Stadt ab. Der Charme weniger mondäner Seevillen versteckt sich dagegen in einer Nischenbucht direkt am Felsabhang. Mehr fallen die mehrstöckigen Wohnblöcke auf, mit denen der bescheidene Siedlungsraum zwischen Zuckerhutbergen gewährt wird.

Die Luganer Bucht wird zwischen zwei markanten Hausbergen eingefasst, sodass man ein wenig an Bilder aus Rio de Janeiro denken muss. Der Freizeitwert versucht es dem gleich zu tun, Tretboote bevölkern den See, an der Flussmündung wurde mit der Foce del Cassarate ein renaturiertes Freizeitgelände geschaffen mit Sand- und Bohlenstrand. In Richtung Stadtzentrum flaniert man durch einen Park mit einem bunten Mix von Skulpturen, welcher sich gleichwohl zur gesamten Uferpromenade nach Süden fortsetzt.

Hervorstechend ist ein riesiger Wal mit dem Titel „Echoes – a voice from uncharted waters“, den der Künstler Mathias Gmachl unter Mithilfe von Wissenschaftlern entworfen hat. Mit der 17 Meter langen und fünf Tonnen schweren Arbeit lenkt der in Salzburg geborene Österreicher die Aufmerksamkeit auf den Umgang des Menschen mit allen nicht-menschlichen Lebewesen und das Artensterben in den Ozeanen. Das luftige Konstrukt lässt bisweilen Soundinstallationen vernehmen, die von dem Mysterium der Geräusche der Ozeanbewohner erzählen wollen.

An offenen Orten im Park finden kleine Theaterstücke oder Vorlesungen statt, wohl Rahmenprogramm des laufenden Lonlake Festivals, dessen große Musikacts auf der Piazza Alessandro Manzoni stattfinden mit einem Programm von Blues bis Jazz. Die Promenadenstraße defiliert weiter vorbei an zahlreichen Museen und Kulturzentren, die mal in alten Villen, mal in modernen Quaderbauten beheimatet sind. In den Altstadtgassen hinein locken manche romantische Straßenrestaurants, Schaufenster der Einkaufszonen zeigen leckere Naschereien ebenso wie filigranes Glasbläserhandwerk.

Von der Nachtschicht am Berg zur Seeperle am Morgen

Als ich die Wasserfontäne fast am Ende der Stadt erreiche, setzt sich bereits das milde Licht der Abendsonne. Von Paradiso fährt eine Standseilbahn zum 912 m hohen Monte San Salvatore auf, der sonst nur per pedes erreichbar ist. Immerhin reicht eine Straße zum waldreichen Höhengrat bis auf knapp 700 m, der die Halbinsel des San Salvatore in Gänze auf der östlichen Achse bis zur Südspitze steil abfallend überzieht. Der Ausganspunkt für den Wanderweg zum San Salvatore liegt aber in Ciona noch fast 300 Hm unterhalb des Panoramabergs. In der örtlichen Osteria mit verträumter Gartenlaube erhalte ich leckere Hausmannskost mit Polenta mit besonders zartem Kaninchenfleisch. Der Genussabend mündet in einer Höhenfahrt über dem nächtlichen Lichterglanz des Sees. Im Höhenort Carona weilt ein historischer Ortskern mit Gassen um einen Brunnen, dessen lauschiger Sanftmut durch die offenen Fenster der schweigenden Bewohner zieht.

(Mo, 28.6.) Carona Roccolo – Carona Baslona (685 m) – Vico Morcote – Morcote – Arbostora – Figino – Barbengo – Agra (560 m) – Montagnola – Lago di Muzzano (Seeweg) – Capella Agnuzzo – Agno – Magliaso (Seeuferweg bis Magliasina-Mündung) – Caslano (Straßenende Poncione, Steiluferweg nicht fahrbar wegen Treppen, auch verboten) – Torrazza (Straßenende Piatta) – Caslano – Pura – Curio – Novaggio – Miglieglia

52 km | 900 Hm

So entschleunigt manche Stunden wie aus alten Zeiten wirken, so banal sind doch wieder die Erfordernisse moderner Pendlerorte. Im Höhenwald verstecken sich sowohl ein großes Schwimmbad wie eine Tennisanlage. Der Parkraum für Autos braucht viele Nischen. Es ist auch nicht zu übersehen, dass bei allem Charme alter Bausubstanz, austauschbar stilarme, quaderförmige Wohnbunker den sich stets ausbreitenden Hunger nach Wohnraum auffüllen müssen, ohne dass dadurch Wohnen eine erschwingliche Grundlage für jedermann erhält. Bald aber ist die Topografie so ungünstig, dass dem weiteren Ausbau Grenzen gesetzt sind.

Aus der Vogelperspektive fällt die Straße dann auf den exponierten Balkonort Vico Morcote hinunter. In dem morbiden Charme der alten Dorfhäuser lehnen sich die Alten über ihre Fensterbänke, um den seltsamen Radler am Brunnen zu mustern. Ihr Gang, ihr Schmatzen, ihr Gemurmel machen sie zu befremdlich genügsamen Menschen, die nicht mehr mit der neuen Zeit verbunden scheinen – dieser Hektik um berufliche Eitelkeiten von Erfolgskultur, um die personalisierte Selbstverwirklichung in sozialen Rangordnungen, um die schnelllebigen Verführungen der Konsumgüter, um die getriebene Mehrung von Geld und Einkommen, um diesen steten Mangel an Verweilzeit.

Was San Mamete für das italienische Seeufer des Luganer Sees ist, verspricht Morcote für das Schweizer Ufer. Eine pittoreske Uferperle, dessen poetischer Charme sich gleichwohl bildhaft einstellt, wenn auch der passende Literat dazu einst eine Höhenstufe höher weilte. Noch sind die Touristen fern, nur ein paar Gäste oder Einheimische frühstücken im schmeichelnden Blick an der Landzunge unter den kleinen Bogengängen der Uferhäuser. Der Berg steigt gleich steil an, nur Treppengassen können den Ort noch hinter die Promenade verbreitern. Die Blumenkästen dösen noch still neben den Tischen der Seerestaurants, gegen deren Terrassenmauern die lauen Wellen des Sees plätschern. Ein paar wogende Bootskähne erzählen von der zeitverlorenen Muße. Nicht fern ist das italienische Ufer, von dem Porto Ceresio mit einer typischen Kirchenkampanile herübergrüßt.

Ein Bilderbuchort für den Denker, Maler und Genießer Hermann Hesse

Der eigentliche Ortskern versteckt sich oberhalb der Parkmauern der historischen Villen bereits zur westlichen Bergflanke hin. Die Uferstraße schleicht hingegen nur an wenigen Villen vorbei bis zu einem kleinen Mündungsdelta. Die dort breitere, längliche Talebene Piano Cairolo zerschneidet die Luganer Halbinsel zwischen dem Berggrat des Monte San Salvatore im Osten und dem kleineren Berggrat um den Monte Croce im Westen. Gleichzeitig ist sie eine gewichtige Siedlungs- und Gewerbefläche, um das beengte Lugano auf einer Südachse zu erweitern. Ich verlasse die Ebene aber schon gleich wieder zu Beginn für einen schwach frequentierten Anstieg Richtung Monte Croce. Auch hier bleibt die Straße unter der Bergkuppe. Ausblicke auf den See bleiben indes verwehrt, da die Straße hinter dem Berg vorbeischleicht.

Zunächst bestimmen funktionelle Bauten die Siedlungsstrecke. In Montagnola verraten dann allfällige Schilder den ehemaligen Lebensort eines berühmten Vertreters des poetischen Wortes. Es der Schriftsteller Hermann Hesse, der sich hier im Montagnola für eine lange Zeit in seiner zweiten Lebenshälfte niederließ. Schon als junger Anhänger einer sinnlichen wie verzichtsreichen Bohème hatte er am Monte Verità über dem Lago Maggiore der Faszination des Tessiner Seenlands gehuldigt, naturnahes Leben auch in Nacktheit zu praktizieren. Er fand schließlich zurück zu dieser Region und führte sein Leben genussreich bis zum Tod in Montagnola. Man möchte sagen, schon zwangsläufig von der Schönheit verführt, erweiterte er seine künstlerische Ader als Maler farbenreicher Abbilder der Ausblicke, die sich von den Orten des Sees ergeben.

Das Museum (Eintritt 8,50 SFR) liegt gegenüber Hesses ehemaliger Wohnstatt, die heute in Privatbesitz ist. Ambiente, Präsentationsstil und Rundgang wissen atmosphärisch gelungen die Sinneswelt des Literaten aus dem schwarzwälderischen Calw einzufangen. Bilder, Licht, Farben und luftige Winkel erheben sein Mal- und Schriftwerk zu einem inspirierenden Zeitenblick auf Leben, Träume und Weisheiten. Die Dokumente berichten von seinen Erfolgen als Nobelpreisträger ebenso wie die geneigten Kreise, in den er sich gerne bewegte, von seinen Inspirationen durch die indische Kultur und Spiritualität. Mit Friedrich Dürrenmatt und Rainer Maria Rilke pflegte er nicht nur eine einen intensiven Gedankenaustausch, sondern auch den Genuss von ländlichen Picknicks und besten Weinen.

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